Menschenaffen in Gefahr:Gorillas als Kriegsopfer

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Der Tierschützer Matto Barfuss spricht über die dramatische Situation der Menschenaffen im Kongo, die vor allem von Rebellen getötet werden.

Titus Arnu

Schwere Kämpfe zwischen Regierungstruppen und abtrünnigen Armeeeinheiten im Osten des Kongos haben diese Woche Tausende Menschen zur Flucht getrieben. Auch Tierschützer sind zunehmend besorgt über die Entwicklung im Kongo. Die Rebellen haben große Teile des Virunga-Nationalparks besetzt, in dem mehr als 300 der seltenen Berggorillas leben.

Durch den Menschen in Gefahr: Gorillas im Kongo. (Foto: Foto: Reuters)

Das Schicksal der Tiere ist bislang unbekannt. Seit Jahresbeginn sind wiederholt Gorillas von Milizen getötet worden. Der deutsche Tierschützer Matto Barfuss hat einen Hilfsfonds gegründet und will nun selbst in das abgelegene Berggebiet in Zentralafrika reisen, um die Ranger des Nationalparks zu unterstützen. Die SZ sprach mit ihm über die Situation im Kongo.

SZ: Immer wieder werden im Kongo Gorillas getötet. Welches Ziel verfolgen die Menschen, die so etwas tun?

Matto Barfuss: Früher waren es vor allem Wilderer. Sie haben die Gorillas getötet, weil sie es auf die Trophäen und das Fleisch abgesehen hatten. Dann gibt es noch die sogenannte Holzkohle-Mafia, die in den Gorilla-Schutzgebieten große Waldflächen abbrennt und so auch für Todesfälle verantwortlich ist. Mittlerweile ist es aber so, dass die meisten Tiere von Rebellen getötet werden, sozusagen aus politischen Gründen.

SZ: Warum das?

Barfuss: Die abgelegenen Waldgebiete sind ein ideales Rückzugsgebiet, nicht nur für die Berggorillas, sondern leider auch für die Milizen, die sich dort vor den Regierungstruppen verstecken. Wir sprechen hier über ein schwer zugängliches Gebiet zwischen 2000 und 4000 Metern Höhe. Rebellen, die damals mitverantwortlich waren für den Genozid in Ruanda, haben sich in dem Dreiländereck zwischen Kongo, Uganda und Ruanda niedergelassen - und durch Tierschützer und Touristen fühlen sie sich gestört.

SZ: Wie ist die Situation dort im Moment?

Barfuss: Die Rebellen greifen immer wieder Parkranger an und erschießen Gorillas, damit sie das Gebiet für sich alleine haben. Gerade vor zwei Nächten wurden zwei Ranger-Stationen überfallen und geplündert, die letzte Ranger-Station im Park wird gerade evakuiert. Die Situation ist dramatisch. Es sind schon mehr als 100 Ranger getötet worden.

SZ: Wie viele Berggorillas gibt es noch?

Barfuss: Es gibt schätzungsweise 600 bis 700 Berggorillas auf der Welt, alle leben im Dreiländereck Ruanda-Uganda- Kongo. Sie zählen zu den seltensten Wesen unserer Erde. Man kann allerdings keine verlässlichen Zählungen durchführen, da sich kaum noch einer in das Rebellengebiet traut. Positiv zu vermelden ist, dass es in den vergangenen Jahren einen Babyboom bei den Berggorillas gab.

SZ: Wissen Sie, wie viele Tiere getötet wurden?

Barfuss: Das ist ebenfalls schwer zu sagen. Nicht alle Opfer werden gefunden. Fest steht: Seit vergangenem Jahr hat die Zahl der Gorilla-Tötungen zugenommen. Am schlimmsten für mich persönlich war das Massaker an der sogenannten Rugendo-Familie Ende Juli.

SZ: Warum?

Barfuss: Das ist eine Familie, die wir für einen Dokumentarfilm lange begleitet haben. Sechs Gorillas wurden von Rebellen getötet - alles Weibchen, darunter auch eines, das hochschwanger war und eines, das ein ganz kleines Baby hatte. Für uns war die Nachricht von dem Massaker erschütternd, weil wir die Tiere alle persönlich und mit Namen kannten.

SZ: Wie könnte man solche Vorfälle verhindern?

Barfuss: Im Moment ist das sehr schwierig. Durch den direkten Kontakt mit den Rangern haben wir einen Maßnahmenplan zur Rettung der Gorillas erstellt, der ist aber offen gesagt durch die aktuellen Entwicklungen ziemlich in Frage gestellt. Als kurzfristige Maßnahme stattet unser Gorilla-Hilfsfonds die Ranger-Stationen mit hochwertigen Ferngläsern und Nachtsichtgeräten aus, sodass sie die Möglichkeit haben, das Gebiet besser kontrollieren zu können. Allerdings wissen wir nicht mal, ob noch eine Station intakt ist, wenn wir in den nächsten Wochen dort hinreisen.

SZ: Gäbe es noch andere Möglichkeiten, die Gorillas zu schützen? Könnte man zum Beispiel mit den Rebellen verhandeln?

Barfuss: Verhandeln könnte man schon. In einem anderen Nationalpark im Osten des Kongos, wo Flachlandgorillas leben, hat die Parkverwaltung mit den Rebellen einen Pakt geschlossen und das Gebiet aufgeteilt. Dort kam kein einziger Ranger durch Rebellen ums Leben. Allerdings hat das den Gorillas auch nicht viel genützt - 60 Prozent der Tiere wurden im Verlauf der Kämpfe getötet.

SZ: Sehen Sie noch eine Chance, die Gorillas zu retten? Wenn ja, wie?

Barfuss: Die Menschen dort suchen alle nach einer Perspektive, aber die Landbevölkerung hat noch immer nicht verstanden, warum man die Gorillas schützen sollte. Man muss ihnen eine Perspektive aufzeigen - sie müssen mit dem Nationalpark Geld verdienen können. Solange dort Krieg ist, wird allerdings kaum ein Tourist hinreisen - die Region gehört schließlich zu den gefährlichsten Gegenden der Welt.

SZ: Was passiert, wenn die politische Situation sich nicht ändert und das Morden weitergeht?

Barfuss: Jedes getötete Tier ist ein Drama. Wenn dem nicht Einhalt geboten werden kann, sind die Berggorillas in spätestens 15 Jahren nicht mehr existent.

© SZ vom 7.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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