Menschen des Monats Januar:Vom Winde zerstört

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Die einen frönen ihrem Laster, die anderen stehen vor einem geplatzten Traum. Jeden Monat stellt sueddeutsche.de fünf Menschen vor, die in den vergangenen vier Wochen ganz besonders aufgefallen sind.

Carolin Gasteiger

Jeden Monat gibt es Absteiger und Aufsteiger, Absahner und Abenteurer, Philosophen und Politiker, Wirtschaftler und Wissenschaftler, die die Nachrichten bestimmen.

Daneben fallen Menschen auf, die uns berühren und etwas bewegen, die unterhalten oder aufregen, oder deren Schicksal uns aus dem Alltag reißt.

Aus diesen Menschen wählt sueddeutsche.de jeden Monatsersten fünf aus und stellt sie in kurzen Porträts vor.

Mit 40 Prozent der Stimmen ist der Mensch des Monats Januar eine willensstarke Herausforderin auf dem Weg zur Macht...

Andrea Ypsilanti ist willensstark auf dem Weg zur Macht

(Foto: Foto: dpa)

Ihre Diplomarbeit schrieb sie über "Macht und Frauen", knapp 20 Jahre später versucht Andrea Ypsilanti, ihrer Definition von Macht im Hessen-Wahlkampf gerecht zu werden. Allein die Wahlplakate der CDU, die "Ypsilanti stoppen" fordern, zeigen, welchen Weg die bis vor wenigen Monaten noch unscheinbare SPD-Spitzenkandidatin eingeschlagen hat - den Weg zur Macht.

Noch vor einigen Wochen galt die Arbeitertochter und ehemalige Stewardess aus Rüsselsheim zwar als sympathischer, aber weniger kompetent als ihr Konkurrent Roland Koch. Nur wenige Genossen, wie der Generalsekretär der Hessen-SPD Norbert Schmitt, trauten dem politischen Leichtgewicht die Spitzenkandidatur zu.

Doch das Blatt wendete sich. Ministerpräsident Roland Koch manövrierte sich in einem zunehmend absurder werdenden Wahlkampf immer mehr ins politische Abseits. Ypsilanti argumentierte nach einem emotionalen Muster dagegen. Und erhielt Rückendeckung aus der Partei. Vor wenigen Monaten noch hätte Ypsilanti kaum wuchtige Reden schwingen können. Nun hat sie nicht nur ihre Position in der SPD gefestigt, sondern vielleicht auch den amtierenden Ministerpräsidenten vom Thron gestürzt.

Nur knapp dahinter, mit 38 Prozent, liegt ein renitenter Altkanzler auf dem zweiten Platz...

Helmut Schmidt kann nicht von seinem Laster lassen

Als sich Altbundeskanzler Helmut Schmidt und seine Frau Loki im Hamburger Thalia Theater genüsslich eine Zigarette genehmigten, ging ein Aufschrei durch die Reihen der Nichtraucher.

Seit 70 Jahren sind der 89-jährige Schmidt und seine 88-jährige Frau passionierte Raucher. Dass sie ihrem Laster aber auch nach dem Rauchverbot in aller Öffentlichkeit frönen. schuf einen tiefen Graben zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Manche sprechen von einem Disput, der fundamentalistische Züge annehme.

Vorbildfunktion oder nicht: Der Altkanzler hatte eine Einsehen und ließ bei einem Auftritt in Hamburg seine Mentholzigaretten nun im Jackett. Auf eine Prise Schnupftabak konnte er aber auch nicht verzichten.

Dass der prominenteste Raucher der Nation, dessen Kolumne sogar "Auf eine Zigarette" heißt, nach seinem Fauxpas gleich ans Aufhören denkt, wäre zuviel verlangt.

Den dritten Platz teilen sich zwei Kandidaten, die jeweils auf neun Prozent der Stimmen kamen. Zunächst: eine Lichtgestalt des Polarkreises...

Jean-Louis Étiennes Traum wurde vorerst vom Wind zerstört

Jean-Louis Étienne hatte einen Traum: Mitte März hätte sein Luftschiff von Südfrankreich über ganz Nordeuropa bis nach Spitzbergen und zum russischen Camp Barneo im Packeis fliegen sollen. Nach den ersten Messflügen wäre es weiter zum Nordpol und schließlich nach Alaska geflogen - an Bord eine Menge gesammelter Daten über die Dicke des arktischen Eises.

Der französische Polarforscher erreichte 1986 als erster Mensch den Nordpol und führte einige Jahre später die internationale Expedition Transantarctica zu Fuß durch die Antarktis. Das Eis faszinierte ihn so sehr, dass er in den 90er Jahren sogar auf einem Forschungsschiff überwinterte. In seiner Heimat kennt die Lichtgestalt des Polarkreises jedes Kind.

Doch Étiennes Traum ist vorerst geplatzt: Windböen von haben das Fluggerät am 22. Januar über dem Dorf Tourrettes auf ein Wohnhaus stürzen lassen - mit ihm dreieinhalb Jahre Vorbereitung und viereinhalb Millionen Euro. Eines der bedeutendsten Forschungsprojekte zum Eis der Arktis steht vor dem Aus.

Denn die Zeit drängt: Die Untersuchungen nun müssen Ende März beginnen und im April abgeschlossen werden - wenn es in der Arktis noch nicht zu warm ist und die sommerliche Schmelze die Ergebnisse nicht verfälscht. Bleibt zu hoffen, dass mit dem Luftschiff nicht auch die Verve der Lichtgestalt zerstört wurde.

Auch auf dem dritten Platz: ein Designer, die sich nach 45 Jahren aus der schillerernden Modewelt zurückzieht...

Valentino feiert mit einem Defilee in der eigenen Farbe seinen Abschied

Valentino - das "V" in der Modewelt - steht für Glamour, Eleganz und Stil. Der italienische Modeschöpfer kreierte sogar eine eigene Farbe: sein "Rosso Valentino" wurde zu seinem Markenzeichen.

Erst im vergangenen Jahr feierte der 75-jährige Valentino Clemente Ludovico Garavani sein 45-jähriges Jubiläum als Designer, um kurz darauf Abschied von der Modewelt zu nehmen. Im Rahmen der Pariser Haute-Couture-Schauen präsentierte er nun seine letzte Kollektion.

Der Designer aus der Generation von Dior, Chanel und Yves Saint Laurent ließ sich angemessen verabschieden: mit einem Defilee der Models in eben dem Rosso Valentino.

Diven wie Audrey Hepburn und Elizabeth Taylor waren bekennende Fans des italienischen Couturiers, der bereits als Teenager ein Faible für Mode hatte. Als Jackie Kennedy in einer Valentino-Kreation den Milliardär Aristoteles Onassis heiratete, hatte sich der Modeschöpfer in der Topriege etabliert. Heute lassen sich Stars wie Sarah Jessica Parker, Uma Thurman, Caroline von Monaco, Ornella Muti und Sharon Stone von dem Altmeister einkleiden.

Valentino, der auch Träger des französischen Ordens der Ehrenlegion ist, zieht sich nach 45 Jahren auf dem Gipfel seines Erfolgs zurück. Aber bleiben werden das V und das "Rosso Valentino".

Mit vier Prozent abgeschlagen auf dem fünften und letzten Platz: ein schweigsamer Nokia-Chef ...

Olli-Pekka Kallasvuo ist auch mal für eine Überraschung gut

Olli-Pekka Kallasvuo kannte in Deutschland bis vor kurzem kaum jemand. In seiner Heimat Finnland gilt der 54-jährige Nokia Chef als unaufgeregt - aber gut für Überraschungen.

Auch eine seiner jüngsten Entscheidungen war eine Überraschung. Mit dem Beschluss, das Nokia-Werk in Bochum zu schließen, hat sich Kallasvuo in Deutschland keine Freunde gemacht. Zu seinen Feinden zählen jetzt nicht nur 3300 Mitarbeiter der Filiale in Bochum, sondern auch SPD-Fraktionsvorsitzender Peter Struck, Gesundheitsminister Horst Seehofer und SPD-Vorsitzender Volker Beck.

Bei dem jüngsten Treffen aller Nokia-Betriebsräte verteidigten sogar finnische Arbeitnehmervertreter die heimische Unternehmenspolitik. Offenbar kann Kallasvuo auf ein erstaunlich breites Verständnis für sein Geschäftsgebaren setzen.

Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Olli-Pekka Kallasvuo für den Nokia-Konzern. Er gilt als Urbild eines Finnen, diszipliniert und analytisch. In "Jormas Bande", zu der die fünf wichtigsten Mitarbeitern des langjährigen Nokia-Chefs Jorma Ollila zählen, arbeitete Kallasvuo sich empor und machte Nokia inzwischen zu einem marktdominierenden Hersteller von Mobiltelefonen. Erstaunlich also, dass ein so großer Schweiger wie Kallasvuo ausgerechnet in der Kommunikationsbranche reüssiert.

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