"Masturbatathon":Selbstlose Selbstbefriedigung

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In London findet Europas erster "Masturbatathon" statt.

Alexander Menden

In Großbritannien hat es Tradition, mit schrulligen Methoden auf Missstände aufmerksam zu machen. So schickt die Interessengruppe "Fathers for Justice", die für das Kinderbesuchsrecht geschiedener Väter eintritt, gerne als Superhelden verkleidete Mitglieder auf öffentliche Gebäude, wo sie demonstrieren.

Vergangenen Monat verbrachte ein anglikanischer Priester zehn Tage und Nächte auf dem Dach seiner Kirche, um auf deren Baufälligkeit hinzuweisen.

Doch der wohl absonderlichste PR-Gag der jüngeren britischen Geschichte ist ein US-Import: Unter dem Motto "Kommen Sie für einen guten Zweck" wird am heutigen Samstag in den "Drop Studios" im Londoner East End der europaweit erste " Masturbatathon" über die Bühne gehen.

Geld für HIV/Aids-Programme sammeln

Basierend auf ähnlichen Veranstaltungen, die seit sechs Jahren regelmäßig in San Francisco veranstaltet werden, sollen hier Freiwillige onanieren und zugleich Geld für HIV/Aids-Programme sammeln.

Ins Leben gerufen wurde das "gemeinnützige Selbstbefriedigungsprogramm" von der amerikanischen Sexologin Charlotte Queen. Sie ist an diesem Wochenende nach London gekommen, um für einen reibungslosen Ablauf des "Masturbatathons" zu sorgen.

"Niemand hier wird ernsthaft so tun, als sei das Ganze kein Publicity-Stunt", sagt Diana Thomas, Sprecherin des Mitveranstalters "Marie Stopes International". Doch die renommierte Vereinigung zur Förderung von Sexualhygiene glaubt, dass der Zweck in diesem Fall die Mittel rechtfertigt.

Selbstbefriedigung solle von ihrem Stigma als Tabuthema befreit werden, so Thomas. Gefragt nach dem nicht unmittelbar einsichtigen Zusammenhang zwischen Masturbation und einer Aids-Aufklärungskampagne antwortet die Event-Erfinderin Charlotte Queen: "Ganz einfach, Selbstbefriedigung ist die absolut sicherste Form von Safer Sex, die es gibt. Sie ist außerdem natürlich und gesund."

Im Laufe der Zeit hätten die "Masturbatathons" rund 35.000 Euro für den guten Zweck eingebracht. Jeder Freiwillige entrichtet 10 Pfund Teilnahmegebühr und kann dann zwischen mehren "Austragungsräumen" wählen.

Es gibt Einzelkabinen, reine Männer- und Frauen- sowie einen gemischten Raum. Über 100 Teilnehmer aus allen Bevölkerungsschichten hätten sich angemeldet, so die Veranstalter.

Kein Zutritt für Presse

Die britische Presse hat mit erwartbarer Begeisterung auf die Veranstaltung reagiert. Während die ernst zu nehmenderen Medien sich jedoch auch ein wenig für den Hintergrund der Geschichte interessieren, konzentrieren sich die Boulevardblätter auf den sensationalistischen Aspekt.

Abgesehen von einem Produktionsteam des TV-Senders Channel 4, der den "Masturbatathon" mitfinanziert und eine Dokumentarsendung darüber plant, wird die Presse jedoch keinen Zutritt zu den Masturbationsräumen haben. Das berüchtigte Blatt Sunday Sport schickt deshalb eine eigene Teilnehmerin ins Rennen.

Die Veranstalter leisten der Wahrnehmung des Events als eine Art Leistungsschau allerdings durchaus Vorschub: So ist zu erfahren, dass der bisherige "Rekord" eines Teilnehmers bei achteinhalb Stunden liegt. Sollte diese Zeit in London überboten werden, so würde sie offiziell als "internationaler Rekord" gewertet.

© SZ vom 5.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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