Marco aus Uelzen:Empörung und Enttäuschung über Urteil

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"In keiner Weise gerechtfertigt": Marco und seine Eltern sind entsetzt über den türkischen Schuldspruch. Das Gericht in Antalya rechtfertigte inzwischen die Prozessdauer.

Die Verurteilung des deutschen Schülers Marco wegen sexuellen Missbrauchs in der Türkei hat in seiner Heimat für Protest gesorgt. Familie und Anwalt reagierten in Uelzen enttäuscht und empört auf die mehr als zweijährige Bewährungsstrafe, die das Gericht in Antalya verhängt hatte. Es befand Marco für schuldig, im Türkeiurlaub 2007 die damals 13-jährige Britin Charlotte missbraucht zu haben. Obwohl Marco nicht hinter Gitter muss, will er das Urteil nicht hinnehmen.

Ist enttäuscht vom türkischen Urteil: Marco Weiss aus Uelzen. (Foto: Foto: dpa)

Die Eltern von Marco Weiss haben sich "enttäuscht und entsetzt" über die Verurteilung ihres Sohnes in der Türkei wegen Kindesmissbrauchs geäußert. "Dieses Urteil sagt nichts über Marcos Schuld oder Unschuld aus, sondern etwas über die Rechtsstaatlichkeit des Gerichts", sagte die Marcos Mutter, Martina Weiss, in Uelzen. "Die lange U-Haft musste gerechtfertigt werden", betonte sie mit Blick auf die Bewährungsstrafe von mehr als zwei Jahren. Die Hoffnung auf Freispruch sei erneut enttäuscht worden.

Marcos Vater, Ralfs Jahns, sagte, sein Sohn sei "maßlos enttäuscht" und empfinde das Urteil als ungerecht. "Das Strafmaß ist in keine Weise gerechtfertigt", betonte der Vater. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg habe bei der Einstellung der Ermittlungen gegen den 19-Jährigen auf Grundlage der gleichen Akten wie das Gericht in Antalya entschieden.

Die Verurteilung in der Türkei hat für Marco in Deutschland keine juristischen Konsequenzen. "Wir haben das Verfahren eingestellt, es bleibt bei der Entscheidung", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Lüneburg. Die Behörde hatte im Mai 2009 ein Ermittlungsverfahren gegen den Schüler eingestellt.

Die Anwälte von Marco und Charlotte kündigten gleich nach dem Urteil den Gang in die Berufung an - in den kommenden Tagen wird sich voraussichtlich zeigen, ob sie daran festhalten. Ein Revisionsverfahren böte für Marco weiter Aussicht auf einen möglichen Freispruch, würde die für ihn nervenzehrende juristische Hängepartie aber weiter in die Länge ziehen.

Überlastetes Gericht

Marco hatte stets ausgesagt, dass es mit Charlotte nach einem Discobesuch zu einvernehmlichen Zärtlichkeiten gekommen sei. Er war später in einem Hotel an der türkischen Riviera festgenommen worden und saß 247 Tage in türkischer Untersuchungshaft. Danach konnte er nach Deutschland ausreisen.

Nach dem mehr als zweijährigen Prozess gegen den Deutschen in Antalya hat die türkische Justiz inzwischen Überlastung als Grund für lange Gerichtsverfahren genannt. Die Gerichte seien derart beansprucht, dass es im Durchschnitt zwei Jahre bis zu einem Urteil dauert, erklärte das Justizministerium in Ankara.

Ein Richter, 1000 Verfahren

Ein Richter habe bis zu 1000 Verfahren zu bearbeiten. Zudem gerieten Prozesse ins Stocken, weil Verteidiger um Aufschub bäten oder die Richter sich um immer neu eingereichte Unterlagen zu kümmern hätten. Der Missbrauchsprozess gegen den deutschen Schüler Marco aus Uelzen hatte am Mittwoch mit einem Schuldspruch und einer Bewährungsstrafe geendet.

Für mehr Arbeit an den türkischen Gerichten sorgen laut Ministerium auch Reformgesetze, die 2005 in Kraft traten: Das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung und der Strafvollzug wurden überarbeitet. 2008 sei zusätzlich ein Gesetz erlassen worden, wonach alle Verfahren, bei denen ein Strafmaß von weniger als zwei Jahren Freiheitsstrafe herauskam, neu überarbeitet werden, erklärte die Freiburger Rechtsexpertin Silvia Tellenbach. "Jetzt müssen die Gerichte unendlich viele Verfahren überprüfen. So haben sie einen hohen Rückstau." Davon seien mehrere tausend Verfahren betroffen.

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