Mafia in Mexiko:Geld oder Kugel

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Seit Jahresbeginn sind dem Drogenkrieg in Mexiko 1300 Menschen zum Opfer gefallen - längst hat die Mafia das Land korrumpiert.

Peter Burghardt

Edgar Millán ahnte, was es bedeutet, sich mit Drogenbaronen anzulegen. "Wir gehen ein hohes Risiko ein", sagte der damalige Kommandeur der mexikanischen Bundespolizei im Kampf gegen einige der mächtigsten Banden der Welt im Januar, die Schlacht war da bereits in vollem Gange. "Aber wir haben auch eine Verpflichtung. Wir können gewinnen."

Edgar Millán: er kannte das Risiko, legte sich dennoch mit den Drogenbaronen an - und er verlor. (Foto: Foto: AFP)

Millán verlor. Vor einer Woche streckten ihn mehrere Salven aus Maschinenpistolen nieder, als er sich in einem Haus seiner Familie am Rande von Mexiko-Stadt von einem heiklen Einsatz ausruhen wollte.

Unter seiner Leitung verfolgte ein Sonderkommando Arturo Beltrán Leyva, einen Chef des Kokainkartells von Sinaloa. Beltrán entkam, Millán starb. Auftragskiller lauerten ihm auf, obwohl nur seine Leibwächter und andere Eingeweihte von seinem Nachtlager wussten. Seine hartnäckigen Ermittlungen kosteten ihn im Alter von 41 Jahren das Leben.

"Wir sind im Krieg"

Der Mord an einem der wichtigsten Fahnder traf die Nation im Mark, und es kam noch schlimmer. Edgar Millán war gerade beerdigt, da wurde am Freitag ebenfalls in der Metropole Esteban Robles erschossen, der Direktor einer für Entführungsfälle zuständigen Spezialeinheit.

Am Samstag starb in einem weiteren Hinterhalt dann Juan Antonio Ramón García, stellvertretender Polizeichef von Ciudad Juárez, durchsiebt von 50 Kugeln. Sein Name stand ganz oben auf einer Todesliste, die Rauschgifthändler an einem Polizeidenkmal hinterlassen hatten. Alles in allem wurden seit dem Amtsantritt von Präsident Felipe Calderón in diesem Gefecht um Macht und Geld 3800 Tote gezählt, 2500 im vergangenen Jahr, fast 1300 in vier Monaten 2008. In mexikanischen Städten geht es gefährlicher zu als in Kolumbien. Das Innenministerium rief gerade das Sicherheitskabinett zusammen, und die Zeitung El Universal schreibt: "Wir sind im Krieg."

Es bekriegen sich die Kartelle von Sinaloa, Ciudad Juárez und dem Golf untereinander und mit der Staatsgewalt. Es geht um eines der lohnendsten und blutigsten Geschäfte der Welt. Bereits kurz nach seinem Einstand schickte Calderón Soldaten an die Front, inzwischen patrouillieren 36000 Soldaten mit Jeeps und schweren Waffen.

In kriminellen Hochburgen wie Tijuana, Ciudad Juárez, Nuevo Laredo und Culiacán lösten sie zum Teil die einheimischen Beamten ab, denen traut niemand mehr. Als Calderón kürzlich die Stadt Reynoso im ebenso trockenen wie gesetzlosen Grenzgebiet besuchte, da erinnerten die Bilder an den Irak oder in Afghanistan. Der Staatschef duckte sich in einem von drei identisch aussehenden, sandfarbenen Geländewagen, begleitet von einem Konvoi aus 23 Fahrzeugen. Darüber flog ein Hubschrauber mit großkalibrigem Maschinengewehr an der offenen Tür.

"Wir müssen uns diesem Bösen gemeinsam stellen", flehte Calderón, "es reicht endgültig." Auch Nachbar USA ist besorgt, US-Militärhilfe in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar soll helfen, obwohl die Strategie bereits in Kolumbien versagt. Bisher ist der Armeeeinsatz ein Fiasko.

Die Entscheidung für Geld

Längst hat die Mafia die Republik korrumpiert, sie kann sich gewaltige Bestechungsgelder leisten, Heere von Söldnern und Arsenale von Mordwerkzeugen.

Allein aus den USA werden für die Drogenlieferungen aus Mexiko jährlich an die zehn Milliarden Dollar geschickt, schätzen Experten, und 12.000 der 100.000 Waffengeschäfte der USA befinden sich im Bereich der Grenze. "Über Jahre hinweg hat das Organisierte Verbrechen Gefälligkeiten gekauft und erpresst, um sich in die Gesellschaft, den Sicherheitsapparat und die Justiz zu infiltrieren", sagt Generalstaatsanwalt Eduardo Medina Mora.

Die Drogenbosse wüten nach Belieben. In Culiacán, Zentrale des sehr schießwütigen Bundesstaates Sinaloa und des gleichnamigen Drogenkartells, wurden im Mai bereits mehr als 50 Menschen niedergemetzelt. Es traf unter anderem einen Sohn des flüchtigen Anführers Joaquín Guzmán, genannt El Chapo. Rivalen entleerten mehrere Magazine in seinen Körper. Am Muttertag traute sich kaum einer der 600.000 Einwohner der Stadt mit ihren luxuriösen Villen aus dem Haus - der wahre Feiertag ist dort ohnehin der Todestag des Drogenheiligen Malverde.

Calderón entsandte noch mehr Militär, doch für viele Journalisten, Richter und Polizisten bleibt es bei der Wahl "Plata o plomo", Geld oder Kugel. Die meisten entscheiden sich für Geld. Edgar Millán fragte seinen Meuchelmörder noch im Todeskampf, wer ihn geschickt habe. Seine verwundeten Bodyguards rangen den Angreifer nieder, bezahlt worden war er von den Paten aus Sinaloa. Verraten hatte den Polizisten Millán ein Polizist.

© SZ vom 15.05.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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