Madeleine McCann:Das Kind, nach dem die ganze Welt suchte

Lesezeit: 10 min

Was geschah wirklich in jener Nacht, als Madeleine McCann verschwand? Die SZ hat die Ermittlungsakten ausgewertet.

J. Cáceres und N. Richter

Spät am Abend des 3. Mai 2007 wird die Managerin der Ferienanlage Ocean Club, Silvia Maria Batista, zurück zur Arbeit gerufen. An der Rezeption des Feriendorfs in Praia da Luz im Süden Portugals stehen Polizisten, und Gerald McCann, ein britischer Gast, kniet und schreit und schlägt die Hände auf den Boden. Er kommt ihr vor wie ein Araber beim Gebet.

Ikone aller Verschwundenen: die kleine Madeleine McCann. (Foto: Foto: AP)

Batista begleitet ihn in dessen Ferienwohnung, Nummer 5A, wo großes Durcheinander herrscht. McCanns Ehefrau, Kate Healy, sitzt niedergeschmettert auf dem Ehebett, etliche Freunde der Briten gehen im Wohnzimmer ein und aus, alle telefonieren. Sie reden von einer Entführung.

Madeleine McCann, die Tochter des Ehepaars, knapp vier Jahre alt, ist aus ihrem Bett verschwunden, während die Eltern im Restaurant saßen. Als die Mutter um 22 Uhr nach dem Rechten sieht, spürt sie einen Luftzug im Zimmer, das Fenster steht offen, Madeleines Bett ist leer, nur ihre Plüschkatze und eine rosa Kuscheldecke liegen da, die Laken sind zurückgeschlagen. Die Geschwister Sean und Amelie, zweijährige Zwillinge, schlafen, als sei nichts passiert.

Frau Batista fällt auf, dass keiner der Briten draußen das Kind sucht, alle reden nur davon, die Medien anzurufen.

Bald wird Madeleine zur Ikone aller Verschwundenen werden, sie wird jeder Familie der Welt vor Augen führen, wie das Schicksal zuschlägt, wenn das Glück doch vollkommen zu sein scheint, bei erfolgreichen Eltern mit gesunden Kindern, die mit Freunden in Praia da Luz entspannen - am "Strand des Licht".

Der Kriminalfall bleibt derweil ohne Lösung. Nach 13 Monaten hat die portugiesische Polizei die Akte in diesem Sommer vorerst geschlossen und veröffentlicht. Zeugenvernehmungen, Tatortfotos, DNS-Analysen, abgehörte Telefonate erzählen auf mehr als 20000 Seiten von der erfolglosen Jagd nach möglichen Tätern - aber auch von der Auseinandersetzung zwischen portugiesischen Behörden, die von den Medien getrieben wurden, und einer britischen Familie, die keinen anderen Ausweg aus ihrer Qual fand, als pausenlos alle Welt um Hilfe zu rufen. Der Fall Madeleine wurde so zum Kulturkampf zwischen Briten und Portugiesen, zwischen Stadt und Land.

Wenn sich aus dieser Akte eine Lehre ziehen lässt, dann diese: Selbst aufwendigste Ermittlungen und rauschende Medienkampagnen können keine Kriminalfälle lösen, wenn Angehörige und Polizisten am Tatort schon in den ersten Minuten entscheidende Spuren verwischen. Vielleicht ist Madeleine, das bekannteste Kind der Welt, deswegen seit dem 3. Mai 2007 nicht mehr gesehen worden.

Auf der nächsten Seite: Wie die ganze Welt Zeuge sein will

1. Die Zeugen

Die ganze Welt wird Zeuge: Gedenken in Fatima im Mai 2007 anlässlich des vierten Geburtstags von Maddie. (Foto: Foto: Reuters)

Neun Stunden nach Madeleines Verschwinden, am Freitagmorgen, 7 Uhr, ist der Fall Aufmacher in den Nachrichten des britischen Satellitensenders Sky News. Agenturen, Radio-, Fernsehstationen und Zeitungen ziehen nach, das Mysterium wird zum globalen Ereignis.

Hunderte Reporter reisen an die Algarve, Larry King sendet von hier seine CNN-Talkshow. Jede Bewegung der Ermittler wird analysiert, kritisiert, live in die Welt gesendet. Für Portugal steht der Ruf als Reiseland auf dem Spiel, für die Briten ist der Fall Maddie eine Staatsaffäre.

Portugals Kriminalpolizei steht binnen Stunden vor Tausenden Spuren. Unzählige Menschen melden sich, weil sie das Mädchen erkannt haben wollen. Anfangs wird Madeleine noch in der Nähe von Praia da Luz gesehen.

Dann befindet sie sich angeblich, zum Teil gleichzeitig, an Orten, die Tausende Kilometer voneinander entfernt sind, in Indonesien, Singapur, in einer Bäckerei in Porto. Bald sind hundert Ermittler im Einsatz, sie befragen allein 112 Hotelangestellte und werten die Hinweise etlicher Zeugen aus.

Einer erinnert sich an einen Mann, der Kinder fotografiert hat, und er weiß noch die Autonummer des Fremden. Die Beamten ordnen es einem Ehepaar aus Polen zu. Als diese beiden Urlauber, drei Tage nach Madeleines Verschwinden, am Sonntagmorgen um sieben in ihr Warschauer Apartment zurückkehren, läutet die polnische Polizei. In Band I der Akte, Seite 216, steht der Vermerk von Interpol: Madeleine ist nicht in der Wohnung.

So geht es bis heute. Im August dieses Jahres kann der kroatische Fußballstar Dino Drpic gerade noch verhindern, dass eine britische Touristin auf der Insel Krk seinen Sohn mitnimmt. Die Frau hatte gedacht, das Kind wäre Madeleine.

Auf Seite 3: Der perfekte Verdächtige im Fall Maddie

2. Der verdächtige Nachbar

Robert Murat ist rasch der perfekte Verdächtige. Murat, 33, arbeitslos, will erst am Freitagmorgen von Madeleine gehört haben, von seiner Mutter Jenny. Sie hatte Sky News gesehen. Erst da hätten sie das Sirenengeheul der Nacht verstanden. Am Morgen macht sich Murat auf den Weg zum Ocean Club, nur 150 Meter vom Haus der Mutter entfernt.

Murat, Sohn eines Portugiesen und einer Engländerin, will helfen. Und macht sich wichtig. Er hält überall sein Ohr hin, mutmaßt, übersetzt. Sein Ton ist so kommandohaft, dass sich Zeugen fragen: Leitet etwa er die Ermittlungen?

Murat hat im Durcheinander der ersten Tage eine Machtposition wie kaum jemand sonst: Er spricht Englisch und Portugiesisch. Bis ihm die Redakteurin einer britischen Boulevardzeitung eine Einschätzung überbringt, die ihn erschüttert. Den Kollegen, sagt die Frau, gelte er als Verdächtiger Nummer eins.

Sie leuchten sein Leben aus und erfahren, dass er sich von seiner Frau scheiden lässt und seine Tochter vermisst, die etwa so alt ist wie Madeleine. Ein Mann mit Geltungssucht, gewiss, aber ein Pädophiler? Die Journalistin vom Sunday Mirror zeigt ihn an.

Es habe sie verstört, steht in der Anzeige, dass Murat vor Reportern mit seiner Tochter telefoniert und daraus eine "große Show" gemacht habe. Die Polizei in Portugal hatte da längst einen anonymen Anruf erhalten: Der Täter sei der Polizei "sehr nahe". Nichts aber belastet ihn so sehr wie die Aussagen aus dem Lager der McCanns.

In der Tatnacht will sich Jane Tanner, eine Freundin der McCanns, an etwas erinnert haben. Als sie am Abend um kurz nach neun das Restaurant Tapas verließ, um nach ihrer Tochter zu sehen, fiel ihr ein Mann auf, der eilig ein Kind im Schlafanzug und mit bloßen Füßen davontrug. Die Polizisten stutzen: Ein Entführer müsste die Wohnung und die Kontrollgänge der Eltern beobachtet haben, und er hätte sich einen Fluchtweg überlegt. Der sicherste hätte von der Eingangstür der Wohnung 5A nach links geführt. Der von Tanner beschriebene Mann aber ging rechts. In Richtung der Villa von Familie Murat.

Plötzlich passt scheinbar alles zusammen. Drei Freunde der McCanns bezeugen, Murat sei schon in der Nacht am Tatort gewesen, einer gibt am 16. Mai auf Seite 1321 der Akte zu Protokoll, dass Murat "ohne jeden Zweifel" eine Brille getragen habe. Am 11. Juli wird sich derselbe Zeuge in einer weiteren Vernehmung erinnern, dass Murat ihm damals sogar seine Handynummer gegeben habe, allerdings erst am Vormittag.

Murat bestreitet, dass er in jener Nacht am Tatort war. Und auch Polizisten, Hotel-Angestellte und Nachbarn, die bis zum Morgengrauen nach Madeleine gesucht haben, versichern, er sei nicht dort gewesen. Doch da gilt der einsame Murat schon als arguido, als belastet.

Die Justiz genehmigt jeden Eingriff.

Am 14. Mai durchsuchen die Ermittler Murats Haus und Auto, sammeln Haare, suchen auf den Deckeln der Zisternen im Garten nach Blut, fotografieren Schwimmbad, Geräteschuppen und Zimmer. Nehmen einen Zeitungsausriss zu den Akten: "Schließt eure Töchter weg", steht in der Überschrift. Es ist die Rezension einer Casanova-Biographie, der "Betrüger und Pädophiler" gewesen sei.

Wenn Murat telefoniert, hört die Polizei ohne sein Wissen mit. Einmal sagt er zu einem Bekannten: "Sie haben mich gekreuzigt, aber ich hoffe, dass sie (die Polizisten) sich konzentrieren auf das Wesentliche, und das ist, die Schrecklichen zu finden, die dieses Mädchen haben."

Die Medien überschütten Murat mit Schmutz, er muss erdulden, dass die Aussage eines Jugendfreundes der Zeitung Correio da Manhã anonym zugespielt und weltweit verbreitet wird. Der Zeuge erzählt, dass Murat als Kind eine Katze vergewaltigt hat. Am Ende entlastet ihn die Polizei von jedem Verdacht, doch sein Ruf ist zerstört.

Auf Seite 4: Wie die Eltern von Opfern zu Verdächtigen wurden

3. Die Eltern

Für Madeleines Eltern ist der Urlaub an der Algarve die erste Pause nach anstrengenden Jahren. Seit der Geburt der Zwillinge, sagt Gerald McCann in einer Vernehmung, sind seine Frau und er nur einmal zusammen ausgegangen. An der Algarve nehmen sie sich nun Zeit für sich.

Tagsüber schicken sie die Kinder zur Betreuung in der Ferienanlage, am Abend des 3. Mai bringen sie die Kinder um 19.30 Uhr ins Bett und gehen, wie immer, um 20.30 Uhr zum Essen. Die Schiebetür zur Terrasse bleibt unverschlossen, auch nehmen sie den Babysitting-Service des Hotels nicht in Anspruch.

Im Restaurant Tapas treffen sie sieben mitgereiste Freunde, vom Tisch aus ist die Wohnung nicht zu sehen. Der Kellner sagt aus, dass er gleich vier Flaschen Wein auf den Tisch stellt, im Laufe eines Abends leeren die Briten meist das Doppelte. Weil sie so heiter sind, nennen die Angestellten sie die "Tennis-Gruppe".

Dass Madeleine von den eigenen Eltern getötet wurde, ist eine Theorie, der die Polizei erst im August offensiv nachgeht, drei Monate nach der Tat. Bis dahin hatte sie sich nur gewundert. In seinem Buch "Die Wahrheit über die Lüge" schildert Gonçalo Amaral, der die Untersuchung leitete, dass Kate die Polizei einmal nur widerwillig begleitete, obwohl man ihr gesagt hatte, das Mädchen sei gesehen worden.

Seltsam auch, was sich Mitte Juni abspielt. Eine E-Mail geht ein, in der ein Erpresser für zwei Millionen Euro verraten will, wo das Mädchen ist. Gerald McCann antwortet von einem Computer der Polizei. Die Spannung unter den Polizisten sei groß gewesen, als sie auf eine Reaktion des Erpressers warteten -McCann aber habe mit einem britischen Polizisten über Fußball geredet.

Bessere Indizien gibt es erst im August. Ein britischer Experte hat vorgeschlagen, zwei Hunde einzusetzen, die auf Leichen- und Blutgeruch spezialisiert sind. Die Kosten: 1000 Euro pro Tag plus Unterbringung, 2750 für die Reise und 450 für die Hundepässe.

Der Aufwand scheint sich zu lohnen: Im August schlagen die Hunde an - nicht bei Murat, sondern in der Wohnung 5A, hinter dem Sofa, im Kleiderschrank, an Kleidern der Mutter, an der Plüschkatze und im Mietwagen der Eltern. In Apartment 5A hat es nie zuvor einen Todesfall gegeben. Kam Madeleine hier ums Leben?

Die Polizisten nehmen das Bild der glücklichen Familie auseinander. In einem 16-seitigen Vermerk vom 11. September 2007 heißt es: Die Eltern haben das Kind versehentlich getötet und ihre Clique benutzt, um die Tat zu verdunkeln. Die McCanns, heißt es, leben in einer anspruchsvollen Gesellschaft "voller Regeln".

Aus Sicht der Portugiesen ein anstrengendes Leben, besonders für einen Vater, der als Herzchirurg "kühl", aber auch erschöpft ist. Freiheit gibt es nur in den Ferien, weswegen die Eltern ihre Kinder in die Betreuung schicken. "Die Urlaubszeit wird zwischen Eltern und Kindern nicht geteilt", heißt es. Und Madeleine, ein lebhaftes Kind, das auch nachts öfter mal aufsteht, könnte mit Medikamenten ruhiggestellt worden sein.

Jetzt gewinnt die Aussage einer Nachbarin neues Gewicht, die Madeleine eines Nachts mehr als eine Stunde weinen hörte, "Daddy, daddy" rufend. Ein Hinweis darauf, dass die Eltern nicht, wie behauptet, alle halbe Stunde das Restaurant verließen, um nach den Kindern zu sehen.

Aus Sicht der Polizei steht nun fest, dass das Kind zwischen 17.30 Uhr, als es zum letzten Mal in der Krippe gesehen wurde, und 22 Uhr gestorben sein muss und dass die Eltern den Leichnam versteckt haben. Zu diesem Vertuschungsmanöver gehört demnach die sofortige Festlegung der Eltern auf eine Entführung und die Appelle an die Medien. Hätten sie ernsthaft an eine Entführung geglaubt, heißt es in dem Vermerk, dann hätten sie sich diskret verhalten, weil "jede intelligente Person weiß, dass in Entführungsfällen die Öffentlichkeit erstens die Ermittlungen behindert und die Sicherheit des Opfers gefährdet."

Erst Murat, dann die McCanns: Mangels besserer Spuren verfolgen die Portugiesen immer jene, die sich am meisten exponieren. Aber ist es denkbar, dass Eltern ihr Kind verlieren und sich dann zum Abendessen in eine gesellige Runde mischen? Ist eine Mutter, eine Ärztin zumal, dazu in der Lage?

Andererseits fragt sich die Polizei: Wie kann es sein, dass die Mutter um 22 Uhr in das Schlafzimmer ihrer Kinder geht, feststellt, dass das Fenster offen steht, ihre Tochter weg ist - und dann nicht etwa von der Veranda aus um Hilfe ruft, sondern 150 Meter bis zum Restaurant läuft? Derweil die Zwillinge alleine bleiben, bei offenem Fenster? Und warum wachen die Zwillinge die ganze Nacht nicht auf, obwohl etliche Helfer die Wohnung durchsuchen?

Anfang September bittet die Polizei die Mutter ein weiteres Mal zur Vernehmung. Kate Healy muss den ganzen 3.Mai nacherzählen. Doch die Ermittler hoffen vergeblich, dass sie zusammenbricht. Anderntags, bevor die Vernehmung weitergeht, wird sie zur Beschuldigten erklärt.

Das Gesetz will es so: Als Beschuldigte darf sie schweigen, um sich nicht zu belasten. Mehr als 30 Fragen prasseln auf sie ein. Warum ließ sie die Zwillinge allein? Wen rief sie an? Konnte sie in jener Nacht schlafen? Hat sie den Kindern Medikamente gegeben? Diesmal beantwortet sie keine einzige Frage.

Wenige Stunden später wird Gerald McCann vernommen und zum Verdächtigen erklärt. Anders als seine Frau antwortet er, doch es bringt die Ermittler nicht weiter. Die McCanns kehren nach Großbritannien zurück. Die Polizei will, dass alle neun Freunde zurückkehren, sie wollen den Tatabend im Original nachstellen. Die Briten weigern sich.

Auf Seite 5: Die Fehler der Polizei

4. Die Polizei

Als der Staatsanwalt José de Magalhães e Menezes den Abschlussbericht der Kriminalpolizei vom 20. Juni 2008 in den Händen hält, kommt er nicht umhin, den enormen Fleiß der Ermittler zu loben. Das Destillat umfasst 4500 Seiten in 17 Bänden, dazu kommen 12000 Seiten mit Rechnungen, Abhörmaßnahmen, Analysen und Rechtshilfeersuchen, schließlich 5000 Seiten mit offensichtlich wertlosen Hinweisen aus der Bevölkerung.

Die Polizei hat 443 Wohnungen besucht, suchte 30 Quadratkilometer mit zwei Hubschraubern, vier Schiffen und Jeeps ab. Die Labors prüften 257 Haare aus Wohnungen und Autos; allein das kostete Zehntausende Euro. Doch am Ende haben die Ermittler nichts in der Hand.

Wie das sein kann?

Der größte Fehler geschah gleich zu Beginn: In der Hektik der ersten Stunden wird die Wohnung auf den Kopf gestellt, die wohl entscheidenden Spuren werden vernichtet. Freunde, Polizisten und Angestellte beugen sich über das Bett, gucken darunter, fassen das Fenster und die Terrassentür an. "Niemand hatte die Ruhe und die Geistesgegenwart, den Tatort zu sichern", beklagt der Staatsanwalt.

Als die Kripo die Fenster mit dem roten Pulver "Dragonblood" bestäubt, um Fingerabdrücke zu sichern, stellt sich heraus, dass der deutlichste Abdruck von einem Landpolizisten aus Lagos stammt, der am Abend im Dienst war. Der Versuch, Wochen später Fußspuren zu sichern, scheitert: Es sind zu viele Pfoten der Spürhunde zu sehen.

Unglaublich auch, dass Murat, der einstige Verdächtige, in mehr als einem Dutzend Verhören dolmetschte. Amaral, der Polizeichef, bedauert, dass er sich von der Öffentlichkeit treiben ließ. "Der Druck hat uns nie wieder verlassen", schreibt er, Ermittlungen gegen die Eltern unterbleiben lange aus politischer Rücksicht auf die Briten. Der Staatsanwalt beklagt zudem, dass die "Medienorgie" die Ermittler abgelenkt und die Würde der Verdächtigen verletzt habe, die zum Teil, siehe Murat, regelrecht geschlachtet wurden.

Aber auch die Zusammenarbeit wirft Fragen auf. Am 16. Mai berichtet ein Ehepaar der britischen Polizei, dass David Payne, ein Freund aus der McCann-Runde, früher durch obszöne Gesten auffiel, die Madeleine gegolten haben könnten. Die Portugiesen erfahren von der Aussage erst im Herbst. Der Staatsanwalt zitiert aus dem Kriminalroman "Das Versprechen" von Friedrich Dürrenmatt: "Der Wirklichkeit ist mit Logik nur zum Teil beizukommen."

In der Akte ist eine Kopie von Madeleines Pass, Nummer 453847661. Er ist am 4. August 2008 abgelaufen. Ihre Mutter sagt, sie spüre, dass ihr Kind lebt.

© SZ vom 30.08.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: