Lotto:Der Entdecker der Glücksformel

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Lothar Lammers hat einige Erfahrung im Umgang mit dem Lotto "6 aus 49": Er hat es erfunden. Und er ist angenehm reich damit geworden.

Claudia Fromme

Eines wird Lothar Lammers an diesem Mittwoch ganz sicher nicht tun: Lotto spielen. Obwohl es noch nie in 52 Jahren Lottogeschichte so viel Geld zu gewinnen gab. Obwohl 43 Millionen Euro im Jackpot sind und ein ganzes Land kurz vorm Durchdrehen ist.

"Ich will nicht im Lotto gewinnen, sondern am Lotto", sagt "6 aus 49"-Erfinder Lothar Lammers. (Foto: Foto: dpa)

Lothar Lammers, 81, ist die Ruhe selbst, am Tag vor der Ziehung, und aus seinem Büro in Münster knarzt er jovial ins Telefon: "Wer wird denn gleich so aufgeregt sein, wegen der paar Millionen." Lothar Lammers hat einige Erfahrung im Umgang mit dem Lotto: Er hat es erfunden. Und er ist angenehm reich damit geworden.

Exakt 52 Jahre ist das her. Zusammen mit dem befreundeten Mathematiker Peter Weiand, der 1990 starb, hat Lammers die Glücksformel "6 aus 49" ausgetüftelt. Lammers wertete als Student der Fächer Betriebswirtschaft und Jura Wettscheine bei der Westdeutschen Fußball-Toto GmbH in Köln aus, Weiand schrieb für das Totoblatt "Tipp mit".

"Alle haben immer nur an Fußball gedacht", sagt Lammers. Dabei sei der Schlüssel zum Erfolg gewesen, ein Spiel zu entwickeln, für das man keine Ahnung haben muss; ein Spiel für alle Schichten, für Frauen wie für Männer. Ein demokratisches Spiel, das durch die Formel hohe Gewinne bei sechs Richtigen versprach und auch eine breite Gewinnstreuung in den unteren Rängen.

Die Glücksformel wurde zum Volltreffer, und "6 aus 49" ist bis heute das erfolgreichste Glücksspiel der Welt - 400 Jahre, nachdem das erste Zahlenlotto in Genua erfunden wurde. Mitte der fünfziger Jahre aber interessierte sich in Köln keiner für die Formel. "Ihr seid doch wahnsinnig", habe der Toto-Geschäftsführer zu ihnen gesagt, erinnert sich Lammers.

Waisenkind Elvira zog die erste Zahl

Norddeutsche Bankiers bissen dagegen sofort an, und so gab es 1955 in Hamburg die erste Lottoziehung. Zwei Jahre später kehrten Lammers und Weiand in ihre Heimat zurück und wurden Geschäftsführer der Westdeutschen Lotterie Gesellschaft, der später das Fußballtoto untergeordnet wurde. "Die Chefs, die unsere Idee abgelehnt hatten, waren plötzlich unsere Angestellten", sagt Lammers und seiner Stimme ist ein wenig Genugtuung anzuhören.

Am 9. Oktober 1955 zog das Waisenkind Elvira die erste Lottozahl - aus einer Trommel, die damals noch aussah wie ein gläserner Betonmischer. Es war die 13. Lammers sagt: "Ja, und?" Er gibt nichts auf ausgetüftelte Systeme, auf Glückszahlen. Und wenn er dann doch mal einen Schein ausfüllt, kreuzt er nach dem Zufallsprinzip an.

Er geht dann in eine Lottoannahmestelle in Münster, stellt sich artig vor und spielt ein paar Reihen - wenn er nicht gerade in Saint-Tropez ist, wo er die Hälfte des Jahres verbringt. Vier Richtige habe er schon einmal gehabt, ein paar Tausend Mark waren das. "Nicht der Rede wert", winkt Lammers ab und schiebt beiläufig nach: "Ich will nicht im Lotto gewinnen, sondern am Lotto."

Allerdings hat ihn nicht die Glücksformel selbst reich gemacht, sondern das, was danach kam. "Wir waren jung, da haben wir uns keine Gedanken über Rechte oder Beteiligungen gemacht", sagt Lammers. Einmalig habe es Geld gegeben, wie viel, sagt er nicht. Seine Karriere beförderte die Erfindung aber ungemein.

Bis zu seiner Rente Mitte der achtziger Jahre blieb er Chef der Westdeutschen Lotterie mit Sitz in Münster, mit Peter Weiand gründete er die Deutsche Spielbanken-Gesellschaft, unter deren Dach heute noch vier Casinos arbeiten. Weiand kehrte in den Siebzigern zurück zum Fußball: Er wurde für 14 Jahre Präsident des 1. FC Köln.

Für manche Fluch statt Segen

Dass die World Lottery Association Lammers als "Vater des modernen Lottos" feiert, liegt daran, dass er das Glücksspiel nach deutschem Vorbild in alle Welt exportiert hat. Nach Asien und Australien, Kanada und in die USA.

Frankreich verlieh ihm den Verdienstorden, Finnland den Löwenorden, vor zwei Jahren nahm ihn Las Vegas in die Hall of Fame auf. Dass er in US-Kriegsgefangenschaft in Frankreich als Dolmetscher tätig war, habe ihm bei den Beratungen geholfen.

Lothar Lammers hat den Nachkriegsdeutschen nicht nur die Lottomillionen gebracht, sondern auch die Gebrauchsanweisung zum Umgang mit ihnen. Schon im Jahr 1955 waren heute fast lächerlich anmutende Gewinne von mehreren Hunderttausend Mark für manche eher Fluch als Segen.

"Mir war klar, dass ich eine Verantwortung habe", sagt Lammers. Er entwickelte damals den ersten Prospekt mit dem Titel "Wohin mit dem Geld?", schickte Betreuer zu Gewinnern. Daran orientierten sich alle Lottogesellschaften.

Und der andere Lotto-Lothar? Der, der 1994 etwa 3,9 Millionen Mark gewonnen hat, sie für einen Lamborghini, Pferde und eine ihm zugetane Bardame verpulverte und später an den Folgen seiner Alkoholsucht starb? "Es gibt Leute", sagt Lothar Lammers, "denen wünscht man lieber kein Glück im Lotto."

© SZ vom 5.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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