Kuba leidet:Die dritte Welle der Zerstörung

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Schon wieder müssen die Kubaner mit den Folgen eines verheerenden Wirbelsturms fertig werden - die Wirtschaft liegt am Boden.

Peter Burghardt, Mexiko-Stadt

Unwetter haben meist harmlose Namen, doch für Kuba klingen sie in diesem Jahr so schlimm wie lange nicht. Erst raste Ende August der Hurrikan Gustav über den Westen der Insel und demolierte dort mehr als 150.000 Häuser.

Bewohner aus Santa Cruz del Sur stehen vor den Trümmern ihrer Häuser - Wirbelsturm Paloma ist das dritte große Unwetter 2008. (Foto: Foto: Reuters)

Zehn Tage später kam Ike und hinterließ an der Südostküste bei der Stadt Holguín eine Spur der Verwüstung mit sieben Toten und 300.000 beschädigten Behausungen. Alles in allem verloren mindestens 200.000 Menschen ihre Dächer, 500.000 Wohnungen gelten als zerstört. Die Schäden werden von der kommunistischen Regierung auf 8,6 Milliarden Dollar geschätzt, 6,7 Milliarden Euro, ein Desaster. Der Wiederaufbau hat erst begonnen, da folgte nun mit Windgeschwindigkeiten von 200 Stundenkilometern und meterhohen Wellen ein weiterer Angriff. Paloma, Taube, heißt der neueste Wirbelsturm.

Die dritte Naturoffensive binnen zweieinhalb Monaten attackierte zunächst einen Ort mit einschlägiger Erfahrung, und das an einem Datum, das Unheil verheißt. Santa Cruz del Sur im Süden war einst, ebenfalls an einem 9. November, von einem Orkan nahezu ausgelöscht worden, 3000 Kubaner starben damals. Diesmal überschwemmten eine Flutwelle und heftiger Regen einmal mehr Felder und Hütten. Hunderte davon gingen zu Bruch, manche von ihnen waren nach Ike oder seit Dennis 2005 gerade erst wieder aufgebaut worden. Die Konstruktionen verwandelten sich zu einer Mischung aus Holz, Schlamm, Blech, Ziegeln, Wäsche, Stühlen, Tischen, Ventilatoren und anderen Dingen, für die ihre Bewohner jahrelang gearbeitet hatten. "Ich habe alles verloren, alles", sagte Yulaidi Alcala, "das tut so weh." - "Die Geschichte wiederholt sich", klagte Juan Carlos Estrada. Ein anderer wusste Grundsätzliches zu schätzen: "Immerhin", stellte Javier Ramos fest, "wir sind am Leben."

Gemessen an den Vorhersagen halten sich die Schäden in Grenzen. Noch Schlimmeres wurde verhindert, weil sich Paloma vom Ungetüm der Stärke 3 zu einem tropischen Tief abgeschwächt und Kubas Politzentrale wie üblich gut reagiert hatte. Der mag man manches vorwerfen, aber kaum mangelnde Vorsorge bei solchen Katastrophen. Trotz der Engpässe beim Transport wurden 1,2 Millionen gefährdete Anwohner mit 4000 Fahrzeugen und 13 Zügen in Notunterkünfte evakuiert. Und bald nach dem Abflauen des Windes waren Präsident Raul Castro und Vize Ramón Machado Ventura in der sturmgebeutelten Gegend zur Stelle. Die US-Behörden verhielten sich da bei der Tragödie namens Kathrina weit weniger professionell. "Es gibt keinen einzigen Toten, weil wie üblich niemand ungeschützt blieb", lobt das kubanische KP-Parteiblatt Granma und macht Propaganda: "Es ist ein Glück, Revolution zu haben."

Ein unglückliches Jubiläum bleibt es im fünften Jahrzehnt der siegreich Castro-Rebellion von 1958/59. Besonders Gustav und Ike haben die ohnehin geplagte Republik schwer getroffen, dabei war mit venezolanischem Beistand gerade erst die Mangelwirtschaft ansatzweise überwunden worden. Nun herrscht erneut Ausnahmezustand. Das behindert auch sachte Reformen unter Castro II. Bauern dürfen ihre Äcker teilweise eigenständig bestellen und Gemüse verkaufen, doch nahezu ein Drittel der Ernte wurde überflutet oder weggeblasen. Allein in der Provinz um die Kolonialstadt Camagüey sind Zehntausende Häuser kaputt, 40 Prozent der Wirtschaftsleistung dahin.

Spenden werden nötig sein, milde Gaben aus dem Norden lehnt Havanna ab, sofern Washington sein Handelsembargo nicht aufhebt. "Abermals wäre würdevolles Verhalten nötig", doziert Fidel Castro in seiner Granma-Kolumne vom 7. November, "wenn der Chef des Imperiums, der die völkermörderische Blockade gegen unser Vaterland vorangetrieben hat, noch mal gnädige Hilfe anbieten würde". Nun hoffen die Kubaner auf Barack Obama. Nie könnten die USA Kuba in die Knie zwingen, auch wenn sie "ein weiteres halbes Jahrhundert" so weitermachen, wetterte der kranke, aber mitteilsame Comandante.

© SZ vom 12.11.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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