Körperwelten in Israel:Eine Frage der Menschenwürde

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Gunther von Hagens will mit seinem Leichenzirkus Station in Haifa machen - Religiöse aus ganz Israel empören sich.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Die umstrittene Ausstellung "Körperwelten" des deutschen Anatomen Gunther von Hagens hat nun auch in Israel einen Glaubenskrieg entfacht - zwei Wochen bevor sie überhaupt im Wissenschaftsmuseum Madatech von Haifa eröffnet wird. Rabbiner und Religiöse im ganzen Land protestieren gegen die Absicht, 20 plastinierte Leichen und 130 aufbereitete Organe auszustellen. In Haifa sollen drei Monate lang Leichen gezeigt werden, die Gitarre oder Poker spielen.

Verstößt für viele Israelis gegen die Menschenwürde: Gunther von Hagens Ausstellung "Körperwelten". (Foto: Foto: dpa)

Für religiöse Juden ist allein die Vorstellung, Leichen zu Ausstellungszwecken zu präparieren und Museumsbesucher anzulocken, ein Albtraum. Der Oberrabbiner von Haifa, Schear Jaschuv Cohen, ruft daher die Öffentlichkeit zu einem Boykott auf.

Am Telefon weist er darauf hin, dass gemäß jüdischem Brauch ein Verstorbener "so schnell wie möglich" begraben werden muss. Sie würden innerhalb weniger Stunden zu Grabe getragen. Die Ausstellung verstoße daher gegen das Gebot der "kavod adam", der Menschenwürde. Auch wenn die ausgestellten Leichen keine Juden gewesen seien und nur Körper gezeigt würden, deren Besitzer zu Lebzeiten einer Zurschaustellung zugestimmt hätten, "ist eine Leichenshow nicht zu akzeptieren", sagt der Rabbiner.

Zwar kann Cohen der Absicht von Hagens etwas "Ehrenhaftes" abgewinnen, durch die Ausstellung von Raucherlungen das Bewusstsein für einen gesünderen Lebensstil zu schärfen. "Aber das muss man doch nicht mit echten Organen machen!", sagt der Rabbiner. Er könne dem Museum nicht vorschreiben, welche Ausstellungen es organisieren soll, aber "wir sagen klar, dass man die Ausstellung meiden soll".

Eine Gruppe ultra-orthodoxer Israelis droht bereits mit juristischen Schritten, um die Eröffnung am 6. April noch zu verhindern. In einem Brief an die Museumsleitung, den Bürgermeister von Haifa, Jona Jahav, und an Wissenschafts- und Kulturminister Raleb Majadele protestiert Rechtsanwalt Aviad Hacohen gegen die Schau - und bemüht darin einen drastischen Vergleich: "In Israel würde man ja auch nicht mit derselben Gelassenheit eine Ausstellung von jüdischen Opfern des Holocaust willkommen heißen."

Sollte die Schau nicht doch noch abgesagt werden, so Hacohen, werde man eine Petition vor dem Obersten Gerichtshof in Jerusalem einreichen. Man wolle nicht die künstlerische Freiheit beschränken, doch Leichenteile wegen "des puren Vergnügens" auszustellen, "gehört sich absolut nicht".

"Warum nicht auch wir Israelis?"

Die Organisation ZAKA, deren Helfer nach Anschlägen Leichenteile suchen, damit die Opfer so vollständig wie möglich beerdigt werden können, ist "entsetzt" über die Schau und plant Demonstrationen vor dem Museum. Sie fordert polizeiliche Nachweise über die Herkunft der Leichen und behauptet, sie stammten von exekutierten chinesischen Dissidenten.

Die Museumsleitung in Haifa nimmt die Kritik gelassen auf. Sprecher Zvi Ben-Ischai, bis vor kurzem Vizechef des Rambam-Krankenhauses in Haifa, sagt: "Wir können uns nicht von den Religiösen vorschreiben lassen, was wir ausstellen und was nicht." Er gibt zu, dass man sich bereits vor einem halben Jahr mit Rabbinern besprochen und deren Kritik zur Kenntnis genommen habe. "Letztlich aber haben wir uns für 'Körperwelten' entschieden, denn wir denken: Wenn die halbe Welt die Ausstellung gesehen hat, warum dann nicht auch wir Israelis?"

© SZ vom 25.03.2009/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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