Knigge für den Karneval:"Latex-Anzug im Büro geht nicht"

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Gabriele Schlegel, 55, Dozentin für Business Behaviour an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, erklärt, wie man jeck durch den Arbeitsalltag kommt, ohne zum Gespött des Unternehmens zu werden.

Claudia Fromme

SZ: Wer heute im Rheinland eine Krawatte trägt, ist sie um 11.11 Uhr los. Das erwarten Männer an Weiberfastnacht dort sogar. Darf ich meine Schere auch in München auspacken, Frau Schlegel?

So sollten Sie lieber nicht ins Büro gehen. (Foto: Foto: dpa)

Schlegel: Auf keinen Fall! Ich kann das nur in einer Gegend machen, in der jemand damit rechnet, dass so etwas passieren wird. Abgesehen von ein paar rheinischen Zellen in Berlin gilt das nur für das Rheinland. Trotzdem eine Krawatte abzuschneiden, ist eine Ungehörigkeit.

SZ: Aber wenn ich sage: Ich kann nicht anders, ich bin Rheinländerin?

Schlegel: Das ist keine Entschuldigung. Sie können aber gerne die Kollegen tags zuvor warnen, damit die sich eine alte Krawatte umbinden können.

SZ: Das ist aber ein sehr lahmer Spaß.

Schlegel: Auch im Karneval gilt die Devise: Ich will keinem in einer Weise begegnen, die dem anderen unangenehm ist. Scherze macht man darum nur über sich, nie über andere. Man küsst auch nicht einfach so jemanden, der das nicht will.

SZ: Darf ich meinen Chef küssen?

Schlegel: Wenn der Rheinländer ist und es sich nur um ein Bützchen - also ein Küsschen auf die Wange - handelt, das geht, ja. Sonst nicht. Glauben Sie mir, manche Chefs haben richtig Angst, an Karneval ins Büro zu gehen. Bei Managertrainings höre ich das immer wieder.

SZ: Was raten Sie denen dann?

Schlegel: Für den Karneval im Büro müssen klare Regeln ausgesprochen werden. Das hilft allen, weil sonst nie klar ist, wer wann was darf. Der Chef muss sagen: ,Wir machen um 11Uhr Schluss, dann gibt es Bier für alle.' Oder: ,Wir arbeiten bis 18 Uhr, aber natürlich trinken wir um elf Uhr zusammen ein Glas Sekt.' So lassen sich Fettnäpfchen vermeiden.

SZ: Gibt es Karrierefallen im Karneval?

Schlegel: Ja, was auf einer privaten Feier gut aussehen kann, ist nichts fürs Büro. Ein zu kurzer Rock, ein männlicher Kollege, der sich in einen hautengen Latexanzug zwängt - das geht nicht. In manchen Berufen verbietet sich auch ein Kostüm. Ärzte oder Banker dürfen sich das nicht gestatten, nicht einmal Details. Wenn jemand vor mir steht, der einen schweren Unfall hatte, ist das unsensibel, wenn ich eine Pappnase oder Ringelsocken trage.

SZ: Was ist noch tabu?

Schlegel: So sehr es einen auch reizt, wenn der Abteilungsleiter angeheitert ist: Nie nach einer Gehaltserhöhung fragen, nie über Kollegen lästern. Das wird immer wieder missachtet. Wer smart ist, feiert entspannt mit dem Chef und fragt in der Woche darauf nach mehr Geld. Wer maßvoll Stimmung in eine Abteilung bringt, der hat schon ein bisschen PR für sich gemacht und steht sympathischer da.

SZ: Mein Chef bietet mir bierselig das Du an. Was mache ich tags drauf?

Schlegel: Warten, was der Chef macht. Wenn er weiter siezt, und das ist meist so, sollte ich das kommentarlos auch machen. Keine Bemerkung, kein Grinsen.

SZ: Schadet es der Karriere, wenn ich beim Betriebskarneval nicht mitfeiere?

Schlegel: Man stößt Kollegen und Vorgesetzten vor den Kopf, wenn man suggeriert: Beim Karneval mach ich nicht mit, das beleidigt meine Intelligenz. Sagen Sie nie: ,Darauf habe ich keine Lust.' Besser wäre: ,Das wird ganz sicher ein tolles Karnevalsfest, aber im Kostüm fühle ich mich sehr unwohl. Bitte entschuldigt mich.'

SZ: Ein Karnevalsschlager der Bläck Fööss heißt: ,,Drink doch eine met, stell dich nit esu ahn.'' Steht Trinkfestigkeit für eine hohe soziale Kompetenz?

Schlegel: Wenn Kollegen zusammen trinken und gesellig sind, kann das der Karriere dienen. Es kann aber auch schnell kippen. Wenn einer sagt, dass er nichts will, muss man das respektieren. Ebenso kann ich keinen zum Karnevalisten machen, der daran keinen Spaß hat. Auch Lustigkeit kann aufdringlich sein.

© SZ vom 15. Februar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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