Kirche im Jahr 2008:Gott, steh uns bei!

Lesezeit: 3 min

Schönheitswettbewerbe für Nonnen, Gospel-Aerobic und aufblasbare Gotteshäuser - die Kirche im Jahr 2008 zeigt ungewohnte Gesichter.

Martin Zips

Natürlich dürfen Nonnen auch schön sein. Audrey Hepburn zum Beispiel, als junge Ordensschwester in Fred Zinnemanns Schmachtfetzen "Geschichte einer Nonne". Wunderschön.

Lili Palmer ("Verschwörung der Herzen") hätte beim Nonnenschönheitswettbewerb auf einen vorderen Platz hoffen können. (Foto: Foto: cinetext)

Leider - soll man sagen: Gott sei Dank? - sehen Nonnen nur selten aus wie Audrey Hepburn. Pfarrer erinnern ja meist auch nicht an Richard Chamberlain in "Die Dornenvögel".

Sie erinnern meist eher an Fernandel, Otti Fischer oder Reinhard Marx. Aber das ist auch gar nicht entscheidend. Entscheidend ist, was sie zu sagen haben. Zum Beispiel, dass man dem Zeitgeist nicht hinterherhecheln soll, oder dass man seinen Nächsten lieben soll wie sich selbst, oder dass man sein Licht nicht unter den Scheffel stellen darf. Blöd nur, dass heute niemand mehr weiß, was ein Scheffel ist. Und Nächstenliebe klingt auch merkwürdig. Im Jahr 2008.

Beichtstuhl im Foyer

Vielleicht ist der neapolitanische Pater Antonio Rungi ja gerade deshalb auf die Idee mit dem Schönheitswettbewerb für Nonnen gekommen. Um die heutigen Menschen dort abzuholen, wo sie sind. An der Oberfläche nämlich. Der Pater forderte auf, im Internet über "Die Schwester des Jahres" abzustimmen. Sein Credo lautete: "Äußere Schönheit ist ein Geschenk Gottes, und wir dürfen sie nicht verstecken." Mittlerweile hat er sich von seiner Idee wieder distanziert.

Die Kirche hat ein Problem: Sie leidet unter Kundenschwund. Darum macht sie gerne einen auf trendy. Früher war es noch so: Wer einen Brief aufgeben wollte, der ging zu Post; wer einen Schrank brauchte, ging zum Schreiner; wer verzweifelt war, der ging zum Pfarrer. Heute heißt die Post DHL, Hermes, Pin oder Ups, der Schreiner heißt Ikea, Lutz oder Scan und in Sachen Verzweiflung reicht das Angebot von der Wellness-Massage bis zum Dianetikzentrum.

Die Kirche und ihre Mitarbeiter wirken da wie das Hirschgeweih, das man nach Omas Tod auf den Dachboden gebracht hat. Eigentlich möchte man es endlich wegwerfen. Und dann macht man es doch nicht.

An der Adria haben sie kürzlich eine Kirchen-Hüpfburg aufgeblasen. Wahrscheinlich, um die Kinder von ihren Patchwork-Eltern und den Eishändlern am Strand wegzulocken und ihnen ein bisschen was über Jesus zu erzählen. Im "Erlebnishotel Santa Isabel" im Europapark Rust wiederum, wo sich jüngst sogar die Katholische Thomas-Morus-Akademie zu einem Wertewandel-Kongress traf, geht es zu wie in einem Kloster. Das Frühstück wird von Kuttenträgern serviert, im Foyer steht ein Beichtstuhl. Draußen, zwischen Zuckerwattebuden und Achterbahn, werben gleich mehrere Seelsorger für den Glauben.

Willkommen in der Pop-Kirche des Jahres 2008: Bitte beachten Sie unsere reichhaltige Produktpalette! Kommen Sie, staunen Sie! Am Berliner Breitscheidplatz fanden sich dieser Tage zwei Container. In ihnen warteten engagierte Christen auf Passanten. Container - seit Big Brother weiß man das auch in der Kirche - begeistern die Menschen.

Auf der nächsten Seite: Gospel-Aerobic und hippe Mönchsgesänge

Fit mit Gospel-Aerobic

All diese Aktionen dürften ganz im Sinne von Henning Röhl sein, Geschäftsführer des Senders Bibel-TV. Kürzlich, beim Sommerempfang des Evangelischen Kirchenkreises Herne, befand Röhl nämlich, dass die Kirchen aufpassen müssten, den Trend der Zeit nicht zu verschlafen. Röhl vermisst neue Internet-Angebote der Kirchen für Jugendliche. Chat-Räume. Oder ein christliches Pendant zu Communities wie StudiVZ.

Wie wäre es mit Gospel-Aerobic? Die Kirche der Pastorin Dawn Harvey vor den Toren Washingtons fungiert dieser Tage als eine Art christliches Fitnessstudio. "Bei der Gospel-Aerobic trainieren wir gemeinsam, um Gott unsere Leiber als Tempel anzubieten", sagt Harvey. Als Grundlage für ihre Zappelbude des Glaubens muss einmal mehr Apostel Paulus herhalten.

Der nämlich schrieb an die Korinther, dass der Heilige Geist in den Körpern der Menschen sei. Frau Harvey möchte ihre Kirche deshalb für den Heiligen Geist ein bisschen aufpeppen. Ob sie auch Albert Schweitzer kennt? Der sagte einmal: "Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in eine Garage geht."

Burnoutgefährdete Pastoren

Dennoch: Von so viel amerikanischem Engagement können die Kirchen Europas nur träumen. Egal ob ihre Theologen gerade einen Nonnenschönheitswettbewerb betreuen oder eine Hüpfburg aufblasen - sie wirken oft etwas überfordert. Knapp die Hälfte aller deutschen Pastoren ist burnoutgefährdet, so der Göppinger Krankenhauspfarrer Andreas von Heyl jüngst im Rheinischen Merkur. Er hat seine Habilitationsarbeit zum Thema Burnout verfasst.

Es ist ja auch ein Jammer mit der Akzeptanz: Kaum ein Politiker hierzulande würde auf die Idee kommen, sich - wie Obama und McCain - zum Fernsehduell ausgerechnet in einer Kirche zu treffen. Und was hilft es dem gewöhnlichen deutschen Gemeindepfarrer, dass Thomas Gottschalk früher mal Messdiener war und Harald Schmidt Organist? Nix.

Im Sinne der nachhaltigen Kundenbindung kann es niemanden in der Kirche beruhigen, dass Belgiens Abteibrauereien wegen steigender Nachfrage mit der Bier-Produktion einfach nicht mehr nachkommen. Auch die 400.000 verkauften Exemplare des Tonträgers "Chant - Music for Paradise", auf dem österreichische Zisterzienser-Mönche fromme Lieder singen, wirken nur wie eine im Altarraum vergessene Goldene Schallplatte.

Von den Mönchen auf dem Heiligen Berg Athos wiederum wird berichtet, sie könnten ab sofort mit ihrem neuen Wimax-Netzwerk drahtlos breitbandsurfen gehen. Das wird Herrn Röhl von Bibel TV vermutlich freuen. Doch was laden sich die Mönche aus dem Netz? Kinofilme vielleicht?

Apropos Kino: Audrey Hepburn verlässt am Ende von "Geschichte einer Nonne" den Konvent. Als Ordensschwester wollte sie es immer allen recht machen.

Das hat nicht geklappt.

© SZ vom 26.08.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: