Kanada:Baby von hirntoter Mutter kommt zur Welt

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Mit diesem Bild zeigt sich Dylan Benson mit seinem Sohn Iver in seinem Blog. (Foto: Screenshot)

"Ich bin unheimlich traurig, aber auch unglaublich stolz!": Ein Kanadier hält seinen neugeborenen Sohn im Arm. Doch dessen Geburt bedeutet für die Mutter endgültig den Tod.

Von Ines Alwardt

Sie hatte sich eigentlich schon aus diesem Leben verabschiedet. Robyn Benson merkte nicht, wie ihr Mann Dylan in den vergangenen Wochen Tag und Nacht an ihrem Bett im Victoria General Hospital saß. Sie spürte auch nicht, als sie die Ärzte am Samstag operierten und das Baby auf die Welt brachten, das die ganze Zeit in ihrem Bauch gelebt hatte. Die Kanadierin Robyn Benson, 32 Jahre alt, war im Dezember nach einer Blutung im Gehirn für hirntot erklärt worden; erst am Sonntag schalteten Ärzte die Maschinen ab.

Es ist eine Geschichte, die ganz Kanada bewegt, ein "herzzerreißendes menschliches Drama", wie die Zeitung Calgary Herald auf ihrer Internetseite schreibt. Seit Wochen berichten die Medien des Landes über den Fall: Robyn und Dylan Benson, ein junges kanadisches Paar aus Victoria, der Hauptstadt der Westküstenprovinz British Columbia. Die beiden hatten sich schon in der Schule kennengelernt. Erst im vergangenen Jahr hatten sie geheiratet, 16 Jahre lang waren sie zusammen.

"Meine Frau stirbt", es sind diese drei Worte, die Dylan Benson Mitte Januar in seinen Blog schreibt. In knappen Sätzen schildert der 32-Jährige auf misterbenson.com, wie seine Frau ins Koma fiel. Wie die Ärzte im Krankenhaus um das Leben seines Babys kämpfen. Es soll ein Junge werden.

Diagnose: schwere Blutungen in der linken Hirnhälfte

28. Dezember 2013. Robyn Benson ist in der 22. Woche schwanger. Die 32-Jährige klagt schon am Morgen über stechende Kopfschmerzen, ihr Mann fährt los und holt Tabletten. Als er wieder die Wohnung betritt, liegt seine Frau bewusstlos auf dem Boden im Badezimmer. Sie kommt sofort ins Krankenhaus, die Diagnose: schwere Blutungen in der linken Hirnhälfte. Die Ärzte versuchen, sie mit einer Operation zu retten. Aber sie können ihr nicht helfen. Seine Frau sei hirntot, erklären sie Dylan.

Nur mit Maschinen können die Ärzte die junge Mutter noch am Leben halten. Dylan Benson kämpft jetzt um sein Kind. Um das Baby zu retten, versuchen die Ärzte, Robyn Benson bis zur 34. Schwangerschaftswoche durchzubringen.

Dylan hofft: "Der Körper meiner Frau hält immer noch sehr gut durch und ist sehr stabil", schreibt er am 18. Januar auf seiner Internetseite. Und doch weiß er: "Der Tag, an dem er geboren wird, wird derselbe sein, an dem ich mich auch von meiner Frau verabschieden muss."

"Ich vermisse Robyn mehr als ich sagen kann"

Es sind Sätze, die die ganze Welt lesen kann. Vor allem die Kanadier nehmen Anteil an der Familientragödie. Der Taxifahrer, der Dylan Benson ins Krankenhaus fährt, bringt ihm am nächsten Tag eine große selbstgemachte Lasagne vorbei. Dylan bekommt zahlreiche Briefe und Nachrichten auf Facebook - und die Menschen spenden. Und weil Benson, der in der IT-Branche arbeitet, unbezahlten Urlaub nehmen muss, richtet ein Freund ein Konto für ihn ein. Für seinen Sohn und als Start in ein neues Leben kommen etwa 160 000 Dollar zusammen. In vergleichbaren Fällen hatte es zuletzt immer wieder Diskussionen über Sinn und Unsinn lebenserhaltender Maßnahmen gegeben. Hier war es nicht so. Wahrscheinlich, weil Dylan die richtigen Worte in seinen Blogeinträgen fand.

Am Samstag brachten die Ärzte Bensons Sohn nun etwas früher als geplant auf die Welt, in der 28. Schwangerschaftswoche. Das Foto, das Dylan Benson auf seinem Blog veröffentlichte, zeigt einen müde aussehenden jungen Vater mit einem kleinen Kind im Arm: Es ist sein Sohn Iver, weniger als 1500 Gramm leicht. Er sei unheimlich traurig, aber unglaublich stolz, schreibt Benson. Und er verabschiedet sich von seiner Frau: "Am Sonntag mussten wir uns plötzlich von der stärksten und wundervollsten Frau verabschieden, die ich jemals getroffen habe. Ich vermisse Robyn mehr, als ich sagen kann."

Wie kanadische Zeitungen berichten, müssen Vater und Sohn sicherheitshalber noch bis Mai in der Klinik bleiben. Die Kanadier fiebern weiter mit. "Bleib stark, kleiner Mann, dein Vater braucht dich", kommentiert ein Leser.

© SZ vom 13.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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