Kalinka-Prozess in Paris:Verfahren mit Tücken

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Zum zweiten Mal steht der deutsche Arzt Dieter Krombach wegen Mordes an seiner Stieftochter vor Gericht. Zu dem Verfahren in Frankreich konnte es nur kommen, weil der Rentner dorthin verschleppt wurde. Doch nicht nur deshalb ist der Prozess strittig.

Stefan Ulrich, Paris

Déjà-vu im Pariser Justizpalast: Ein gebeugter Mann mit ausgemergelten Gesichtszügen betritt am Dienstagmorgen den Glaskäfig eines Schwurgerichtssaals. Er stützt sich auf eine Krücke, lässt sich mühsam auf dem Stuhl nieder. Die Richterin fragt ihn nach seinem Namen. "Krombach, Dieter", antwortet er. So geschah es schon einmal, Ende März, als der Mordprozess gegen den deutschen Arzt begann. Damals musste die Verhandlung wegen der Herzprobleme des Angeklagten nach wenigen Tagen ausgesetzt werden.

Nun versucht die Justiz erneut, den 76 Jahre alten Krombach drei Jahrzehnte nach dem Tod seiner französischen Stieftochter Kalinka zur Verantwortung zu ziehen. Doch der Angeklagte wirkt nicht stabiler als im Frühjahr. Auf die Frage der Richterin nach seinem Beruf antwortet er: "Allemand", "Deutscher". Seine Tochter Diana G. sagt, ihr Vater sei geschwächt, leide an Schwindelgefühlen, Gedächtnislücken. "Er möchte seine Unschuld beweisen, aber ist er in der Lage, sich zu verteidigen?"

Ein anderer Prozessbeteiligter wirkt dagegen zufrieden: André Bamberski, der Vater Kalinkas. Er glaubt, Krombach werde ihm nicht mehr entwischen. "Ich kann nichts garantieren, aber ich habe keine Angst", versichert der Pensionär, der Jahrzehnte seines Lebens und etwa eine Viertelmillion Euro dafür gegeben hat, um den Mann vor Gericht zu bringen, den er für den Mörder seiner Tochter hält.

Kalinka war 14 Jahre alt, als sie im Juli 1982 starb. Das Mädchen lebte damals bei ihrem Stiefvater Krombach und ihrer französischen Mutter am Bodensee. Krombach hatte dem Mädchen am Abend ein Eisenpräparat gespritzt, angeblich weil es an Blutarmut litt. Am nächsten Morgen fand er Kalinka tot auf. Der deutschen Justiz unterliefen danach mehrere Fehler. So wurde der Leichnam 60 Stunden lang nicht gekühlt und war bei der Obduktion am Verwesen. Die Scheidenflüssigkeit wurde nicht nach Spermaspuren untersucht. Obwohl Bamberski alles versuchte, Krombach richten zu lassen, stellte die Justiz das Verfahren mangels Beweisen ein.

Vor zwei Jahren wurde Krombach vor seinem Haus im Allgäu zusammengeschlagen und nach Frankreich verschleppt - offenbar im Auftrag Bamberskis. Seitdem wartet der Deutsche in Haft auf seinen Prozess. Doch das Verfahren hat Tücken. Nach Ansicht der Bundesregierung gilt ein Rechtsgrundsatz, wonach niemand wegen derselben Sache zwei Mal verfolgt werden darf. Da die deutsche Justiz den Fall geprüft und dann eingestellt habe, dürfe ihn Frankreich nicht erneut aufrollen.

Zum anderen moniert die deutsche Seite, Krombach sei nur durch eine schwere Straftat - die Entführung - nach Frankreich gelangt. Krombachs Verteidiger forderten am Dienstag, den Prozess auszusetzen und die Streitfragen dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Die kommenden Wochen werden zeigen, wie das Gericht mit diesen Problemen umgeht. Bamberski sagt, er wolle Gerechtigkeit. Krombachs Tochter Diana G. hält dagegen, die Verfolgung ihres Vaters müsse ein Ende haben.

© SZ vom 05.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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