Junge erschießt zwei Menschen:Doppelmord als Kinderspiel

Lesezeit: 2 min

In Arizona hat ein Achtjähriger seinen Vater und einen Bekannten erschossen - verhört wird er wie ein Erwachsener. Offenkundig haben die Behörden den Achtjährigen in ein Geständnis hineingeredet.

Reymer Klüver

Eines steht fest in diesem bizarren Fall: Was auch immer in dem grauen Holzhaus in dem Kaff St. Johns in der Prärie im weiten, leeren Osten des US-Bundesstaats Arizona vor zwei Wochen geschehen sein mag: Es ist unvorstellbar. Am Ende lagen zwei Männer in ihrem Blut, und um sie herum irrte ein schmächtiger schwarzhaariger Junge, der acht Jahre alte Sohn eines der Ermordeten, in Händen ein Kleinkalibergewehr. Alles spricht dafür, dass es der Kleine selbst war, der seinen Vater und dessen Untermieter erschossen hat - kaltblütig wie der örtliche Polizeichef vermutet.

In diesem grauen Holzhaus in St. Johns geschah das Unglück. Die Polizei vermutet, dass der Junge schoss, weil er missbraucht worden war. (Foto: Foto:)

Und noch eines dürfte klar sein: Wie die Behörden mit dem spektakulären Fall umgegangen sind, spottet jeder Beschreibung. Offenkundig haben sie den Achtjährigen, der seither in einem Jugendgefängnis festgehalten wird, in ein Geständnis hineingeredet. In Arizona sind Kinder von acht Jahren an bedingt strafmündig. Und dann haben sie auch noch Anfang dieser Woche das gut halbstündige Verhör des Kleinen veröffentlicht. Als würde es sich um einen erwachsenen Verdächtigen handeln und nicht um ein Kind. Am Ende aber könnte ausgerechnet die Veröffentlichung dieses Videos, das überall in den Fernsehstationen des Landes immer wieder in Ausschnitten zu sehen ist, dem Jungen vielleicht sogar helfen.

Wohnzimmergespräch mündet in Verhör

Es zeigt zwei Frauen im Gespräch mit einem kleinen Jungen in Turnschuhen, der auf einem massiven, viel zu großen Ohrensessel mit Kunstlederbezug hockt. Die beiden Polizistinnen sitzen ihm gegenüber und ermahnen ihn, dass er "die Wahrheit" sagen müsse, "selbst wenn es schlimme Sachen sind". Was wie ein ernsthaftes Wohnzimmergespräch zweier besorgter Frauen mit einem Jungen beginnt, der etwas ausgefressen hat, wird am Ende zum Verhör, in dem der Junge bekennt, seinen Vater und den Untermieter erschossen zu haben: "Sein ganzes Gesicht war blutig, und ich glaube, ich glaube, ich hab es angefasst", sagt der Junge über seinen Vater. Mit dem Fuß habe er die Leiche seines Vaters berührt, "um zu sehen, ob er noch ein bisschen lebendig ist." Und dann habe er geweint.

Das alles haben die Polizeibehörden am Tag nach den Todesschüssen aufgezeichnet, ohne dass der Junge von seiner Mutter oder einem anderen Erwachsenen begleitet wurde. Auch einen Anwalt hatten sie da noch nicht eingeschaltet. Deshalb ist das Verhör nach Meinung vieler Rechtsexperten ein gravierender Verstoß gegen alle Prozessregeln und dürfte keinerlei Bestand vor Gericht haben. Die Staatsanwaltschaft wollte den Jungen zunächst wie einen Erwachsenen anklagen. Inzwischen ist sie mit einem Verfahren vor dem Jugendgericht zufrieden.

Video vom Verhör veröfentlicht

Der mittlerweile ernannte Verteidiger des Jungen sprach von einem "Medienzirkus" und warf dem Gericht vor, ihn befördert zu haben. Tatsächlich wirkt Richter Michael Roca leicht überfordert, vor allem von der Aufmerksamkeit der Medien. "Ich wollte einen Pfropf auf die unverantwortlichen Gerüchte setzen", gestand er ein, "dabei habe ich mir selbst in den Fuß geschossen, und das gleich mehrere Male." Roca hatte zunächst Polizei und Justiz ganz untersagt, Informationen herauszugeben. Er musste seine Anordnung dann aber zwei Mal revidieren, weil behördliche Unterlagen in Arizona grundsätzlich öffentlich zugänglich gemacht werden müssen. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin, offenbar ohne den Richter zu informieren, das Video des umstrittenen Verhörs sowie Bilder von der Autopsie der erschossenen Männer sowie vom Tatort veröffentlicht.

Unstreitig haben vor allem lokale Medien die Grenzen fairer Berichterstattung weit überschritten. So zeigte eine Fernsehstation ein Bild des Achtjährigen - ohne dass sein Gesicht unkenntlich gemacht worden war. Tötungsdelikte, die Kinder unter zwölf Jahren begehen, sind auch in den USA selten. Stets aber werden sie erleichtert durch den Umstand, dass Waffen so leicht verfügbar sind. Laut Statistiken des FBI gab es in den Jahren 2003, 2004 und 2005 jeweils drei solcher Fälle. 2002 waren es sogar 15. Dem Achtjährigen hatte sein Vater das Kleinkalibergewehr geschenkt. Er wollte, dass sein Junge lernt, Präriehunde zu schießen.

© SZ vom 21.11.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: