Jörg Immendorff:Sein Großthema: Deutschland

Lesezeit: 1 min

Der 58-jährige Jörg Immendorff gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen deutschen Maler, wiewohl er ebenso als Bildhauer und Bühnenbildner arbeitet.

Dirk Peitz

Zuletzt etwa gestaltete er im Herbst vergangenen Jahres für Peter Mussbachs Berliner Inszenierung von Schostakowitschs Oper "Die Nase" das Bühnenbild.

Immendorff, der 1945 in Bledecke bei Lüneburg geboren wurde, studierte in den 60er-Jahren an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Joseph Beuys. Mit seinem Lehrer teilte er nicht nur im Zuge der 68er-Revolte die verstärkte Hinwendung zu politischen Inhalten in der Kunst, sondern auch das Schicksal, von der Akademie geworfen zu werden.

Immendorff musste jedoch schon Jahre vor Beuys' berühmten Konflikt mit dem damaligen nordrhein-westfälischen Wissenschaftsminister Johannes Rau 1972 wegen der Massenaufnahme von Schülern gehen. Immendorff hingegen hatte es sich wegen provokanter Happening-Aktionen der von ihm ausgerufenen "Lidlakademie" mit der Hochschulleitung verscherzt.

Nahm die Wiedervereinigung künstlerisch vorweg

Die bekannteste Werkgruppe aus dem Schaffen Immendorffs, der ironischerweise seit 1996 nun selbst Professor an der Düsseldorfer Akademie ist, entstand zwischen 1978 und 1983: Der 23-teilige, so großformatige wie inhaltlich plakative Bilderzyklus "Café Deutschland" zeigt die Ost-West-Problematik und galt auch wegen eines Motivs mit Mauerdurchbruch zum damals in Ostberlin wohnenden Immendorff-Freund A.R. Penck als vorweggenommene künstlerische Vision der späteren Wiedervereinigung.

Danach schuf Immendorff die monumentale Bildergruppe "Café de Flore", die - vor allem für Immendorffs eigenes Künstlerleben bedeutende - historische Persönlichkeiten zeigt.

Das Großthema "Deutschland" hat den Maler auch in den letzten Jahren nicht losgelassen. In dem "Letztes Selbstporträt - Das Bild ruft" betitelten Gemälde von 1998 hat er seinem Abbild den Bundesadler als Verkleidung übergezogen.

Nachwende-Deutschland mit Prostituierten bevölkert

Und in "Langer Marsch auf Adler" (1991/92) mag man gar eine Szene erkennen, die sich nun auf makabere Weise in die Wirklichkeit verlängert zu haben scheint. Dort entwarf der Künstler, der in Düsseldorf zuletzt auch als Gastgeber spektakulärer öffentlicher Vernissagenpartys in seinen Atlierräumen im neuen Medienhafen auftrat, eine düstere, unter anderem mit Prostituierten bevölkerte Szenerie des Nachwende-Deutschlands.

Der von seiner Generation politisch längst vollzogene "lange Marsch" durch die Institutionen, er erhält für den Menschen Immendorff nach den Geschehnissen in Düsseldorf nun womöglich eine neue Bedeutung - eine juristische.

© sde - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: