Italien:Warmes Gesöff

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Bierdosen gibt's in Rimini ab sofort nicht mehr aus dem Kühlregal. (Foto: imago)

Prohibition für die Nachtruhe: Im Kampf gegen öffentliche Saufgelage stoppt Rimini den Verkauf von kaltem Supermarkt-Bier.

Von Oliver Meiler, Rom

Mit dem Bier im Sommer ist es so eine Sache. Wirklich wichtig ist nicht, dass es dem Reinheitsgebot entspricht. Wichtig ist, dass es kalt ist. In den Tropen zum Beispiel schütten sie Eiswürfel ins Bierglas, was natürlich jedem Gebot spottet und dem Banausentum zugerechnet gehört. Doch niemand mag warmes Bier.

In Rimini, dieser Sehnsuchtsdestination für Sonniges und Sündiges an der Adria, Geburtsstadt von Federico Fellini, ist nun ein Gesetz in Kraft getreten, das der Dolce Vita eine bittere Note beimischt. Vielleicht, aber das ist eine gewagte These, fördert es sogar den Konsum warmen Biers. Bei ihrer Suche nach Wegen, um den Exzessen zu wehren, die sich da allnächtlich im Zentrum und an den Stränden von Bellariva, Marebello und Rivazzurra zutrugen, hielt es die Stadtverwaltung nämlich für besonders erfolgsversprechend, wenn sie den freien Verkauf kalter alkoholischer Getränke im Sommer verbietet - unter Androhung von Geldstrafen, 300 bis 500 Euro.

Betroffen sind vor allem die vielen grellen Supermärkte, die sogenannten "Mini-Markets", die es seit der Liberalisierung des Gewerbes überall in Italien und an allen Straßenecken gibt. Betrieben werden sie von Pakistanern und Bangladeschern. Sie dürfen nun also kein Bier und keinen Wodka mehr aus ihren Kühlschränken verkaufen. Sie taten das bisher zu unschlagbaren Preisen jeweils bis drei Uhr in der Frühe. Zum Mitnehmen, über die Gasse, auch an junge und sehr junge Kunden. Das störte nicht nur das Geschäft der Bars und Discotheken, sondern auch die Nachtruhe der Bürger. Und zwar so nachhaltig, dass sie sich zu Bürgerkomitees zusammenschlossen und die Gemeinde unter Druck setzten.

Rimini ist da nicht alleine. In der Wirtschaftskrise, die Italien nun schon seit acht Jahren beutelt, wuchs sich die Take-away-Kultur zum Massenphänomen aus. Auf den Piazze und in den zentralen Parks vieler italienischer Städte herrschen nun nächtens anarchisch bierselige Zustände, die nicht selten in lauten Gelagen und Raufereien mit viel zerschlagenem Glas enden. Die Italiener brauchen einen spanischen Begriff für das Nachtfieber: "Movida". Da ist die Versuchung natürlich allenthalben groß, mit Prohibition für Ruhe zu sorgen. Im historischen Zentrum des schönen Lucca etwa, in der Toskana, darf man außerhalb der klar bemessenen Terrassen der Bars gar nicht mehr unter freiem Himmel Bier trinken. Weder kaltes noch warmes.

In Rimini versucht man den indirekten Weg, den über den Graus am warmen Gesöff. Der soziale Frieden war in Gefahr geraten, und mit der "Pace sociale" ist nicht zu scherzen. In Rimini, muss man dazu wissen, fanden gerade Bürgermeisterwahlen statt, Tage nur nach der Einführung des Verbots. Und Gemeindewahlen gewinnt man nun mal mit der Gunst der Einheimischen und nicht mit der Zufriedenheit deutscher Touristen oder des Partyvolks aus dem nahen Hinterland - aus Bologna, Modena, Parma. Andrea Gnassi vom linken Partito Democratico wurde gerade mit Fanfaren wiedergewählt, im ersten Wahlgang schon und mit 56,71 Prozent. Es ist nicht überliefert, ob er seinen Sieg der Prohibition verdankt. Möglich aber ist es schon.

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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