Italien:Seitenwechsel

Lesezeit: 1 min

Ruggero Trevisan, 25, italienischer Rugby-Profi, will ins Kloster gehen. Statt mit Tackling beschäftigt er sich nun mit Theologie und Sozialarbeit. (Foto: PR)

Ruggero Trevisan, 25, italienischer Rugby-Profi, will ins Kloster gehen. Statt mit Tackling und Grätschen beschäftigt er sich nun mit Beten und Arbeiten.

Von Oliver Meiler

Natürlich drängen sich nun Bibel-Gleichnisse auf. Holzschnittartig passt vielleicht die Geschichte von Saulus, der zum Paulus wird. Ruggero Trevisan, "Fullback" des Rugbyvereins im norditalienischen Treviso, hat sich entschlossen, seine gut bezahlte Profikarriere aufzugeben und ins Kloster zu gehen. Vom Acker der Prügler zieht er an diesem Dienstag direkt in eine Bildungsstätte für Prediger des Herrn, in die Bruderschaft San Carlo Borromeo in Rom. Und das mit 25 Jahren, mitten in der Blüte seiner beträchtlichen körperlichen Kräfte. Als er sich von seinen Kameraden in der Umkleidekabine verabschiedete, stellte er sich vor sie hin und sagte: "Ich werde Priester." Mehr nicht. Und ging.

Es war ein Offenbarungseid, eine Art Coming-out in einer Welt der Machos und Hartbesaiteten. Die Lokalzeitungen aus dem Veneto berichten, die Kameraden hätten die Ankündigung wortlos kassiert, respektvoll. Dann übte man sich bei Benetton Treviso wieder im Austeilen und Einstecken, im Umklammern, Schieben, Drücken, kollektiven Ganzkörpergrätschen. Repubblica schreibt, Bruder Trevisan werde dann wohl Mühe haben, auch die andere Wange hinzuhalten, wenn ihm die eine gewatscht worden sei. Und Avvenire, die Zeitung der italienischen Bischofskonferenz, die sich sonst eher mäßig für Sport interessiert, nutzte die Gelegenheit für eine stolze Revue plötzlich fromm gewordener Fußballer, Leichtathleten, Volleyballspieler. Ein Rugbyspieler war bisher nicht dabei.

Zum Glauben fand Ruggero Trevisan erst vor vier Jahren, als er durch Zufall mit Anhängern der katholischen Laienbewegung Comunione e Liberazione in Kontakt kam. Deren Gemeinschaftsgefühl und die Arbeit mit den Schwächeren der Gesellschaft hätten ihn tief beeindruckt, sagt Trevisan. Davor habe er nur Rugby im Kopf gehabt, ein junges Leben lang. Und Autos, Kohle, Frauen, die ganze Palette der Klischees. Trevisan war ein außergewöhnliches Talent. Er wurde früh in die Verbandsakademie aufgenommen, durchlief die Nachwuchsnationalmannschaften aller Altersklassen. Im letzten Jahr seiner Laufbahn verbrachte er schon mehr Zeit mit Jugendlichen in Schwierigkeiten und mit Waisenkindern als auf dem Trainingsplatz. Seine Freundin hat er verlassen. "Ohne Trauma", sagt er. In einigen Tagen beginnt der neue Weg: drei Jahre Philosophie, drei Jahre Theologie. Missionar will er werden, die Welt bereisen. Den Rugbyball nehme er mit, der Sport helfe auch bei der Arbeit auf dem Acker des Herrn.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: