Italien:Durchschnittstouristin mit Kappe

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Die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Ehemann Joachim Sauer sind wieder einmal im Osterurlaub auf Ischia.

Von Nico Fried

Es gibt Bilder, die lassen mehr offen, als sie beantworten. Die Urlaubsfotos von Angela Merkel gehören dazu. Man betrachtet sie, egal, ob es das Foto Merkel auf Ischia von 2006 ist (links) oder das Foto Merkel auf Ischia aus den aktuellen Osterferien, und unwillkürlich schießt einem mindestens diese eine Frage durch den Kopf, die wahrscheinlich ungebührlich ist gegenüber einer Bundeskanzlerin. Aber weil der Mensch neugierig ist, möchte man Angela Merkel am liebsten zurufen: "Könnten Sie sich bitte mal umdrehen?"

Ja, von hinten würde man das gerne mal sehen. Denn was doch wirklich interessant zu wissen wäre: Geht es Merkel so wie uns Normalos mit halblangem Haar, wenn sie Schirmmützen gegen die Sonne aufziehen? Steht im geöffneten Heck der Kopfbedeckung, über dem Verschluss zum Verstellen der Größe, auch ein Strunk Haare ab wie ein kupierter Pferdeschweif? Nicht die Mütze ist ja das Erkennungsmerkmal des Touristen, sondern die Art, sie zu tragen.

Aber das ist wohl der berühmte Rest an Privatsphäre, der einer Bundeskanzlerin eingeräumt werden muss. In anderer Hinsicht sind die ewigen Urlaubsgrüße aus Italien leichter interpretierbar: Die Kanzlerin schätzt Stetigkeit, privat wie im Beruf. Jedes Jahr verbringt sie die Osterferien auf der Insel im tyrrhenischen Meer. Ischia ist für Merkels Urlaub das, was ihr Lieblingskoalitionspartner SPD zu Hause politisch ist: Die Kanzlerin kennt und schätzt alle beide, weil sie weiß, was sie erwartet, und auch, dass die vulkanisch-eruptive Vergangenheit hier wie da lange zurückliegt.

Auch andere Signale sind nicht allzu schwer zu deuten. Zu Beginn ihrer Amtszeit legten Merkel (damals 51) und ihr Gatte Joachim Sauer noch eher Wert auf lässigen Freizeitlook und, sagen wir mal vorsichtig: raffinierte Farbkombinationen. Neun Jahre später hat Tragekomfort eindeutig Vorrang, was bedeutet, dass Merkel (60) heute ähnlich Urlaub macht, wie sie regiert: pragmatisch in der Herangehensweise, mit wachsender Freude an einer gewissen Behaglichkeit und ausgestattet mit der Souveränität der angehenden Seniorin.

Eines aber wird ein ewiges Rätsel bleiben: Bewegt sich Angela Merkel mit modischer Nonchalance durch Italien, weil sie allen Ernstes hofft, einige Tage lang unbeobachtet zu sein? Oder macht sie nur auf Durchschnittstouristin, weil sie genau weiß, dass früher oder später Fotos gemacht und gedruckt werden, die in Deutschland wieder zu weitverbreitetem Entzücken darüber führen, wie authentisch diese Kanzlerin doch ist? Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem. Genau wie mit dem Strunk Haare am Hinterkopf: mal so und mal so.

© SZ vom 08.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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