Italien:Amoklauf im Gericht

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Ein wegen Betrugs Angeklagter erschießt in Mailand während des Verfahrens drei Menschen. Nach einer Verfolgungsjagd wird er gefasst.

Von Oliver Meiler, Mailand/Rom

Im Mailänder Justizpalast haben sich am Donnerstag tragische Szenen zugetragen und die Stadt für einige Stunden in Panik versetzt. Hunderte Besucher und Mitarbeiter des Gerichts stürmten auf die Strasse, nachdem Schüsse gefallen waren. Vier, fünf, dann weitere.

Mitten in einem Verfahren wegen betrügerischen Bankrotts hatte der Hauptangeklagte, der 57-jährige Bauunternehmer Claudio Giardiello, eine Pistole aus der Tasche gezogen und seinem früheren Anwalt, der als Zeuge auftrat, in die Brust geschossen. Dann richtete er die Waffe gegen einen Mitangeklagten. Beide Opfer erlagen ihren Verletzungen. Giardiello verließ den Gerichtssaal, suchte das Büro des obersten Mailänder Insolvenzrichters auf und erschoss auch ihn. Eine Stunde hielt sich Giardiello danach noch im Gerichtsgebäude auf, bevor er auf einem Motorrad türmte. Nach einer Verfolgungsjagd über 30 Kilometer konnte ihn die Polizei im Mailänder Hinterland stellen.

Der Unternehmer, berichten italienische Medien, hatte seit längerer Zeit große finanzielle Probleme und fühlte sich verfolgt. Offenbar hatten schon andere Anwälte ihr Verteidigungsmandat aufgegeben, weil sich der Mann auf keine ihrer Ratschläge einlassen mochte und oft die Kontrolle verlor. Einer von ihnen sagte, sein ehemaliger Mandant leide an Paranoia. Während des Verfahrens soll es zu einem Streit zwischen den Beteiligten gekommen sein, der Giardiello zu seiner Tat bewegte.

Natürlich stellt sich nun die Frage, wie es überhaupt möglich war, dass ein Angeklagter bewaffnet ins Gericht gelangen konnte - trotz Sicherheitskontrollen und Metalldetektoren. Spekuliert wurde, dass Giardiello womöglich mit einem Anwalt durch einen Seiteneingang, der für das Gerichtspersonal gedacht ist, in das Gebäude getreten sein könnte, oder aber mit einem gefälschten Anwaltspatent. Möglich wäre auch, dass einer der Metalldetektoren nicht funktionierte. Erstaunlich ist jedenfalls, dass sich der Täter eine Stunde lang im Gericht verstecken und dann türmen konnte, ohne gefasst zu werden.

Der italienische Innenminister geriet schnell in die Kritik. Vertreter der rechtsbürgerlichen Opposition sagten, es sei unerhört, dass in Zeiten, da Terrororganisationen das Land bedrohten, die wichtigen Institutionen so schlecht bewacht seien. Andere gaben zu bedenken, dass in Mailand am 1. Mai die Expo beginne: Das Fanal aus dem Justizpalast drücke nun unheilvoll auf die Glaubwürdigkeit der Sicherheitskräfte. Für die Expo werden 20 Millionen Besucher erwartet.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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