Italien:Amanda Knox "erschüttert" von Entscheidung

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Einer der spektakulärsten Mordprozesse Italiens wird neu aufgerollt: Das höchste italienische Berufungsgericht hat den Freispruch für Amanda Knox aus dem Jahr 2011 aufgehoben. Die US-Amerikanerin bezeichnete die Vorwürfe der Staatsanwälte als "völlig unbegründet und unfair".

Das Kassationsgericht in Italien hat den Freispruch der US-Studentin Amanda Knox und ihres damaligen italienischen Freundes Raffaele Sollecito aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft hatte im Februar Berufung gegen das Urteil eingelegt, weil sie Knox und Sollecito des Mordes an der Britin Meredith Kercher für schuldig hält. Die Ermordung der Austauschstudentin soll nun von einem Gericht in Florenz erneut aufgerollt werden.

Das Urteil in zweiter Instanz vom Oktober 2011 sei "eine seltene Mischung aus Gesetzesverstößen und logischen Fehlern", sagte Generalstaatsanwalt Luigi Riello.

Knox ließ über ihren Anwalt mitteilen, dass es weh tue diese Entscheidung zu hören, sie sei "erschüttert und überrascht".

Amanda Knox nach dem Freispruch
:Flug in die Freiheit

Direkt nach ihrem spektakulären Freispruch ist Amanda Knox in ihre Heimat USA gereist. Auch wenn der Fall noch kein endgültiges Ende gefunden: Ihre Freiheit hat die 24-jährige Amerikanerin wieder: Die Bilder.

"Wir dachten, der Fall sei abgeschlossen", sagte Carlo Dalla Vedova dem Nachrichtensender CNN. Die Theorie der Staatsanwälte, zu ihrer Beteiligung an der Ermordung Meredith Kerchers sei des Weiteren "völlig unbegründet und unfair", so Knox weiter. Aber egal was passiere, sie und ihre Familie stellten sich diesem juristischen Kampf.

Die Familie der getöteten Britin ist froh über die Entscheidung. Es gebe "noch immer unbeantwortete Fragen, und wir suchen alle nach der Wahrheit", sagte Stephanie Kercher, die ältere Schwester des Opfers, dem Sender Sky News.

Amanda Knox war während des Urteilsspruchs heute nicht im Gerichtssaal anwesend. Sie lebt seit ihrem Freispruch 2011 in Seattle.

Dass das Kassationsgericht den Freispruch aufgehoben hat, dürfte an Knox' Freiheit erstmal wenig ändern. Denn zwischen Italien und den USA gibt es kein Auslieferungsabkommen. Während die Verurteilung von Knox in erster Instanz zu politischen Irritationen geführt hatte, gab es nach dem Freispruch umgehend Lob für das italienische Rechtssystem. Über die Folgen eines möglichen Schuldspruchs wird noch spekuliert. Italien könnte zwar Knox' Auslieferung beantragen, die Entscheidung darüber läge dann aber im Ermessen der USA.

Zahlreiche Messerstiche

Berühmt-berüchtigt wurde Amanda Knox als "Engel mit den Eisaugen". Der 25-jährigen Amerikanerin wird vorgeworfen, 2007 gemeinsam mit ihrem damaligen Freund ihre Mitbewohnerin ermordet zu haben.

Die britische Austauschstudentin Kercher war am 2. November 2007 vergewaltigt und mit durchschnittener Kehle in einer Wohnung in Perugia gefunden worden. Dort hatte sie gemeinsam mit Knox gewohnt. Ihr Körper wies zahlreiche Messerstiche und Verletzungen auf.

In erster Instanz waren Knox und Sollecito zu langen Haftstrafen verurteilt, 2011 jedoch nach vier Jahren Gefängnis freigesprochen worden. Experten hatte damals Zweifel an den DNA-Tests geäußert, die in erster Instanz für den Schuldspruch herangezogen worden waren.

Vor Knox und Sollecito war außerdem der Ivorer Rudy Guede in einem Schnellverfahren zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Kerchers Familie hatte die Theorie von einer Einzeltat Guedes stets zurückgewiesen und gefordert, den Fall neu aufzurollen.

Erstes Fernsehinterview

Nach Perugia wollte Knox "irgendwann als Touristin" zurückkehren, das sagte sie der Daily Mail im Januar des vergangenen Jahres: "Ich liebe dieses Land und die Stadt Perugia noch immer."

Im amerikanischen Fernsehen will Knox zum ersten Mal in einem großen Interview über ihre Geschichte sprechen. ABC strahlt das Gespräch am 30. April in den World News zur Prime-Time aus.

"Ich bin besorgt, vertraue aber auf meine Anwälte und hoffe, die Geschichte ist bald vorbei", habe ihm Knox per SMS mitgeteilt, hatte ihr Verteidiger Luciano Ghirga im Vorfeld gesagt. Doch Knox' Hoffnung konnte sich nicht erfüllen.

Der Mordfall Meredith Kercher, der sich schnell zum globalen Medienspektakel entwickelt hatte, geht damit in eine nächste Runde.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/jst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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