Irland: Blasphemie-Gesetz:Gott hat immer recht

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In Irland gilt seit dem 1. Januar ein strengeres Blasphemie-Gesetz - wer Gott beleidigt, soll bis zu 25.000 Euro bezahlen. Nun fürchten Atheisten eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Marion Bacher

Dicklich und etwas schwerfällig schaut er aus, der katholische Priester. In seiner rechten Hand hält er eine Hostie, in der linken den Kelch voll Wein. Der Mann bietet die Gaben aber nicht einem frommen Gläubigen an, sondern drei prominenten Politikern. Sie wenden sich leicht ab, winken zum Abschied.

Irland hat ein neues Blasphemiegesetz. (Foto: Foto: Reuters)

Die Karikatur, die in der irischen Wochenzeitung Sunday Independent 1995 veröffentlicht wurde, ist die einzige Publikation, die seit Inkrafttreten der irischen Verfassung 1937 wegen mutmaßlicher Blasphemie vor den Richter gekommen ist. Konsequenzen hatte es keine. Aus Mangel an Definitionen, was unter Gotteslästerung fällt, wurde der Fall zu den Akten gelegt.

Sogar Hausdurchsuchungen sind möglich

Damit ist es nun vorbei. Seit 1. Januar ist in Irland ein neues Blasphemiegesetz in Kraft. Wer Gott beleidigt, soll dafür bezahlen - und zwar mit bis zu 25.000 Euro. Sogar Hausdurchsuchungen sind möglich, wenn ein Richter verbotenes Material bei Verdächtigen vermutet. Auch andere EU-Staaten wie Deutschland, die Niederlande oder Spanien stellen Blasphemie unter Strafe. Die entsprechenden Gesetze werden jedoch kaum exekutiert.

Hier liegt der Unterschied zu Irland. Die Reform des Gesetzes könnte dem totgeglaubten Paragraphen wieder Leben einhauchen. Kommentatoren von Australien bis Kanada kritisieren das tief katholische Land. Der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins spricht von einem Rückschritt ins Mittelalter.

Im Juli 2009 haben die Regierungsparteien Fianna Fáil ("Schicksalskrieger") und die Grünen die Gesetzesnovelle verabschiedet. Federführend war der konservative Justizminister Dermot Ahern. Im Vergleich zum Gesetz von 1961 definiert das neue detailliert, was Blasphemie eigentlich ist.

Insgesamt müssen laut Paragraph 36 des "Diffamierungsgesetzes" drei Bedingungen erfüllt sein, damit der Fall vor Gericht kommt: Erstens müssen die Aussagen die Gefühle von Gläubigen stark verletzen, der öffentliche Frieden muss gestört sein und es muss nachgewiesen werden, dass die Person das Ärgernis bewusst provoziert hat.

Michael Nugent, Vorsitzender der Irischen Atheisten, hat nun als Reaktion auf das Gesetz die Kampagne "Blasphemy" gestartet. Als blasphemisch könnte die Zitatesammlung auf seiner Webseite allemal empfunden werden. Dort schimpft die isländische Sängerin Björk auf Buddhisten, Jesus Christus wird mit den Worten "Actually, I'm a bit gay" aus dem Musical "Jerry Springer - The Opera" zitiert und es gibt Auszüge aus dem Roman "Die Satanischen Verse" von Salman Rushdie.

Eine Anzeige ist bis jetzt ausgeblieben. Dafür gibt es Unterstützung aus dem In- und Ausland. "Es kann gut sein, dass es zu keiner Strafverfolgung kommt, weil es den Politikern passen würde, wenn die Diskussion abebbt", sagt Nugent.

Die Irischen Atheisten sind jedoch erst jetzt so richtig in Fahrt. In den vergangenen Tagen schrieben sie Briefe an die Europafraktionen der Nationalparteien. Sie sollen Druck auf Irland ausüben. "Das Gesetz ist nicht mit der Politik der EU-Parteien vereinbar", stellt Nugent fest. Er fürchtet eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Nur die Kirche schweigt

Justizminister Dermot Ahern kann den Trubel vermutlich nicht so ganz verstehen. Zur Kampagne der Irischen Atheisten hat er sich nicht geäußert, jedoch legte er in einem Gastkommentar in der Irish Times seinen Standpunkt bereits im Mai offen. Er hätte das Gesetz nur im Einklang mit der Irischen Verfassung reformiert. In der Verfassung von 1937 ist bis heute verankert, dass Blasphemie eine Straftat ist.

Der Organisation der Islamischen Konferenz kommt das irische Blasphemiegesetz gerade recht. Basierend auf dem Gesetzestext versuchte die Organisation, der 57 muslimische Länder angehören, Druck auf die Vereinten Nationen auszuüben. Sie wollen die Bestrafung von Gotteslästerung als internationales Recht etablieren. "Es ist beschämend, dass Irland für Staaten wie Pakistan in dieser Hinsicht als Vorbild gilt", sagt Michael Nugent.

Vor der Kirche brauchen sich Gotteslästerer immerhin nicht fürchten. Nach den Sexskandalen katholischer Geistlicher in Irland ist sie bemüht, nicht aufzufallen. Während ihr die Priesterkarikatur in den neunziger Jahren noch ein Dorn im Auge war, schweigt sie zur Kampagne der Atheisten.

© SZ vom 11.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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