Interview mit Benjamin Adrion:"Es ist wie bei Forrest Gump"

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Der ehemalige FC Sankt Pauli-Spieler Benjamin Adrion engagiert sich für notleidende Menschen in Entwicklungsländern. Ein Gespräch über ein ungewöhnliches Hilfsprojekt mit vollem Körpereinsatz.

Carolin Gasteiger

sueddeutsche.de: Herr Adrion, als ehemaliger Profi-Fußballer engagieren Sie sich seit zwei Jahren für wohltätige Zwecke. Was kann Fußball für arme Länder tun?

"Wir wollen Menschen in ganz Deutschland anstecken", sagt Benjamin Adrion. (Foto: Foto: Christian Rinke)

Adrion: Beim Fußball spielt es keine Rolle, wo man herkommt, solange man gut kicken kann. Damit erreicht man das Selbstwertgefühl der Menschen, dieses Gefühl: Wenn wir sonst nirgends mithalten können, beim Fußball sind wir wer. Wenn wir mit den Jungs am Strand eine Runde kicken, dann ist das unsere Art, das Eis zu brechen. Man erntet sofort ein Lachen, und die Verbindung zwischen den Menschen ist hergestellt.

sueddeutsche.de: Ihre Hilfsorganisation "Viva con Agua" versorgt Entwicklungsländer mit Trinkwasser. Was ist Ihr persönlicher Antrieb?

Adrion: Abgesehen davon, dass ich nach einer Tätigkeit nach meiner Fußballkarriere beim FC Sankt Pauli gesucht habe, wollte ich eine Plattform schaffen, auf der man zusammen mit Gleichgesinnten etwas bewegen kann und aus der Stimmlosigkeit herauskommt.

sueddeutsche.de: Was sagen Ihre ehemaligen Kollegen von St. Pauli dazu?

Adrion: Die sind bereit, bei jeder Gelegenheit zu helfen. Zuletzt als Models bei einer Modenschau für "Viva con Agua". Auch bei unserer nächsten Aktion im April, dem "Wasser!Marsch" durch Deutschland, werden sie dabei sein und die Patenschaft für einen Läufer übernehmen.

sueddeutsche.de: Vor kurzem sind Sie von einer achtwöchigen Reise durch die Projektgebiete Äthiopien, Ruanda und Benin zurückgekehrt. Was waren Ihre Eindrücke?

Adrion: Es war schön zu sehen, was aus unserer Arbeit geworden ist In Ruanda haben wir erst im Oktober die Spenden überwiesen und schon im Januar wurden die ersten Quelleinfassungen installiert. In den äthiopischen Dörfern legen die Menschen schon Gärten an, die sie mit unseren Brunnen bewässern. Wir hatten überall den Eindruck, dass unsere Hilfe bei den Menschen ankommt.

sueddeutsche.de: Wo ist die Trinkwassernot am größten?

Adrion: In Äthiopien. Man muss bis zu 80 Meter tief bohren, um an Wasser zu kommen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn man auf eine Wasserader trifft und dann die Freude der Menschen sieht und die Dankbarkeit darüber, dass sie nun sauberes Trinkwasser für ihre Familie haben. In Ruanda geht es eher darum, die vorhandenen Quellen einzufassen und das Wasser trinkbar zu machen.

sueddeutsche.de: Vor den Hilfsprojekten in Afrika hat "Viva con Agua" bereits geholfen, die Trinkwasserversorgung auf Kuba zu verbessern. Nach welchen Kriterien wählen Sie die Hilfsprojekte aus?

Adrion: Aus unserer Zusammenarbeit mit der Welthungerhilfe heraus unterstützen wir deren weltweite Millenniumsdörfer. Nach den afrikanischen Dörfern steht als nächstes ein Trinkwasserprojekt in Nicaragua an, dann wollen wir die Wasserversorgung auf dem asiatischen Kontinent verbessern. Wenn unsere Arbeit in den Millenniumsdörfern abgeschlossen ist, werden wir uns neu orientieren. Wir wollen unsere Arbeit auf weitere Länder ausweiten und uns zusätzliche Kooperationspartner suchen.

sueddeutsche.de: Am 30. April veranstaltet "Viva con Agua" unter dem Motto "Wasser!Marsch" eine Pilgerreise quer durch Deutschland. Was muss man sich darunter vorstellen?

Adrion: Wir laufen zu Fuß von Hamburg nach Basel - einmal quer durch die Republik. Jeder, der Lust hat, kann mitlaufen - wie bei Forrest Gump. Uns geht es nicht ausschließlich darum, Geld zu sammeln, sondern die Leute für das Thema zu sensibilisieren. Pünktlich zum Eröffnungsspiel der Europameisterschaft (am 7. Juni 2008, Anm. d. Red.) werden wir dann in Basel sein. Mal sehen, vielleicht können wir dann ja im Trainingslager der Nationalmannschaft vorbeischauen.

sueddeutsche.de: Die meisten Hilfsorganisationen animieren die Menschen vorwiegend zum Spenden. Wie kann man "Viva con Agua" noch unterstützen?

Adrion: Spenden geht natürlich immer. Wichtiger ist uns aber, dass man selbst aktiv wird. "Viva con Agua" ist ein offenes Netzwerk. Wir wollen besonders junge Menschen motivieren, sich für arme Länder zu engagieren. Jeder ist aufgerufen, sich mit eigenen Ideen einzubringen. Wenn ich beispielsweise aus Göttingen komme, wo der Wasserlauf im Mai Station macht, und eine Band habe, dann kann ich ein Konzert organisieren. Geld ist dabei nicht gezwungenermaßen notwendig. Auch ist die Initiative nicht auf Hamburg beschränkt: Wir wollen Menschen in ganz Deutschland anstecken.

Mehr Informationen auf: www.vivaconagua.org

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