ICE-Probleme der Bahn:Schwer verdaulich

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Nach der Debatte um die Toiletten-Stilllegung legt die Bahn nach, um ihre Probleme mit dem ICE 3 in den Griff zu bekommen - und überrascht mit neuen Ideen.

Hans Leyendecker

Um die Achsen einiger ICE-3-Hochgeschwindigkeitszüge nicht zu stark zu belasten, erweist sich die Bahn als erfindungsreich. Zunächst waren Techniker auf die Idee gekommen, in den mittleren Waggons die Toiletten stillzulegen, um weder Frisch- noch Abwasser mitführen zu müssen. Geplante Gewichtsreduzierung: 750 Kilogramm.

Die Bahn und ihre Strategien gegen ihre ICE-Probleme: Wenn eine Reisegruppe zu lange im Mittelwagen verweilt, gibt's Ärger. (Foto: Foto: AP)

Verriegelte Toiletten können zu allerlei Diskussionen und auch diversen Verstopfungen im Zug führen. Deshalb hatte die Bahn von dem Vorschlag, den sie schon Anfang des Monats dem Eisenbahn-Bundesamt mitgeteilt hatte, wieder abgelassen und stattdessen angeregt, in den Mittelwagen die Wirbelstrombremse abzuschalten, um die "Kraftbeanspruchung an den Wellen" zu reduzieren.

Das habe noch einen "erheblich größeren Effekt" als die Reduzierung der Wassermenge. Nun wäre vermutlich die größte Reduktion durch die Ausgabe von Helium-Luftballons an dicke Reisende zu erreichen, aber so weit will die Bahn nicht gehen.

"Bei Besetzung von über 100 Prozent: Fahrgäste verweisen"

In einer Weisung mit der Nummer BW-P 042/2008 vom 8. August dieses Jahres, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, werden stattdessen die Zugbegleiter aufgefordert, zu unterschiedlichsten Anlässen die Wirbelstrombremse ein- oder auszuschalten, und zudem die Reisenden genau zu zählen: Falls im Mittelwagen der Baureihe 406 "eine Besetzung von über hundert Prozent besteht, verweisen Sie die Fahrgäste auf andere Wagen".

Falls dies nicht möglich sei, müssten Maßnahmen ergriffen werden. Also: Wenn der Wagen gut besetzt ist und etwa eine sächsische Reisegruppe, die nach Paris möchte, durch den Zug marschiert und zu lange im Mittelwagen verweilt, gibt es Ärger. "Falls der Triebzugführer es unterlässt, Sie zu den oben aufgeführten Handlungen aufzufordern, lassen Sie den Zug nicht abfahren", steht in der Weisung auch.

Die Weisung BW-P 042/2008 sei "fehlerhaft", erklärte am Freitag ein Bahnsprecher. Der Satz mit den Reisenden hätte ursprünglich gestrichen werden sollen. Nach der SZ-Anfrage wurde die Personen-Weisung am Freitagnachmittag dann auch gleich wieder aufgehoben.

Kabarett und Ernst mischen sich bei der Bahn: Anlässlich der Diskussionen über kaputte Radsatzwellen und zu große Lasten hat sich jetzt die "Arbeitsgemeinschaft ICE Siemens Bombardier", die alle Hochgeschwindigkeitstriebzüge herstellt, beim "Vorstand Personenverkehr" der Bahn schriftlich gemeldet.

Die AG versicherte dem Unternehmen ihre Solidarität und bedauerte, dass die "öffentliche Diskussion" zu einer "Verunsicherung der Bahnnutzer" führe, "die dem Schienenverkehr nicht gerecht" werde: "Unsere Untersuchungen haben bisher zu keinen Ergebnissen geführt, dass durch den Betrieb der Triebzüge ICE 3 die Sicherheit von Passagieren gefährdet sein könnte."

Lesen Sie auf Seite 2 die Weisung der Bahn im O-Ton

Die Weisungen der Bahn im O-Ton:

(Foto: N/A)
© SZ vom 23.08.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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