Hurrikans:Auf "Gustav" folgt "Hanna"

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Sieben Menschen wurden getötet, trotzdem hat Hurrikan Gustav die US-Küste schwächer getroffen als befürchtet. Die Angst bleibt: Auf Haiti kommen Menschen im nächsten Sturm um.

Drei Jahre nach dem verheerenden Hurrikan Katrina mit 1800 Toten hat der Wirbelsturm Gustav die Menschen an der US-Golfküste weitgehend verschont. Dennoch wurden im Süden der USA mindestens sieben Menschen in den Tod gerissen, darunter vier in Georgia, die in ihrem Auto von einem Baum erschlagen wurden. Drei schwer kranke Krankenhauspatienten kamen bei der Räumung von Kliniken im Sturmgebiet ums Leben. Laut dem US-Nachrichtensender CNN starben sie, während sie darauf warteten, per Lufttransport in Sicherheit gebracht zu werden.

Tausende Flüchtlinge aus New Orleans drängen nun auf eine baldige Rückkehr. Am Dienstag wirkte die Metropole in Louisiana jedoch weiterhin wie eine Geisterstadt. Bürgermeister Ray Nagin bat die Einwohner der evakuierten Stadt aber um Geduld. Es könne noch einige Tage dauern, bis sie in ihre Häuser zurückkehren könnten. Am Mittwochabend oder Donnerstagmorgen könne es schon soweit sein. Die Evakuierung sei aber richtig gewesen, versicherte Nagin am Dienstag. Gustav sei zwar nicht die "Mütter aller Stürme" gewesen, aber "vielleicht die Schwiegermutter oder die hässliche Schwester aller Stürme".

Vor der Rückkehr müssten zerstörte Stromleitungen wieder aufgebaut und umgefallene Bäume weggeräumt werden, sagte Nagin. Auch das Abwassersystem müsse in Ordnung gebracht werden. Gefahr drohe außerdem, weil einige Häuser beschädigt worden seien und einstürzen könnten.

Die Behörden fürchteten, dass doch noch einige Dämme dem Hochwasser nachgeben könnten. "Es scheint, dass New Orleans noch nicht ganz über den Berg ist", sagte Nagin. '"Aber wir sind nah dran." Die nächtliche Ausgangssperre in der Stadt blieb am Dienstag zunächst in Kraft.

Während in New Orleans zunächst keine großen Deichbrüche zu verzeichnen waren, wurden die Bewohner der nahe gelegenen Kleinstadt Plaquemines Parish zur Flucht vor drohenen Überschwemmungen aufgefordert.

Nationalgarde fährt mit Booten Straßen ab

Gustav riss bei seinem Durchzug durch New Orleans Bäume und Strommasten um, er fegte Dachziegel und Regenrinnen von den Häusern. Nach Angaben des Versorgers Entergy war die Hälfte der Stadt Orleans - 100.000 Haushalte - ohne Strom.

In dem 2005 von Katrina besonders betroffenen Armenviertel Upper Ninth Ward lagen umgestürzte Bäume herum, Soldaten der Nationalgarde fuhren mit Booten auf dem Flutwasser zwischen den Häusern und suchten nach Menschen, die sich weiter in ihren Häusern verschanzten. Laut Stadtverwaltung war das Viertel auch diesmal am stärksten betroffen, das Wasser stand 15 Zentimeter höher als normal.

Das US-Hurrikanzentrum (NHC) stufte Gustav auf dessen Weg ins Landesinnere unterdessen zu einem Tropensturm auf Stufe 1, die schwächste Stufe der fünfstufigen Hurrikan-Skala, herab. Wie das NHC in Miami mitteilte, sank die Windgeschwindigkeit auf 95 Stundenkilometer. Das Zentrum des Sturms lag 30 Kilometer südwestlich von Alexandria im Nordwesten des Bundesstaates Louisiana. Der Sturm zog weiter in nordwestlicher Richtung und wurde am Dienstag im Nordosten von Texas, am Mittwochabend in Oklahoma erwartet.

Kaum scheint die Bedrohung durch Gustav zu schwinden, nähern sich neue Unwetter: Der Hurrikan Hanna steuert auf die USA zu. Er könnte laut NHC am Freitag oder Samstag South Carolina und Georgia an der Südostküste erreichen. Hanna zog mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 130 Stundenkilometern über Haiti, bevor er am Dienstagmorgen (Ortszeit) an Kraft verlor und zunächst zum Tropensturm herabgestuft wurde. Ein weiterer Tropensturm über dem Atlantik, Ike, zieht derzeit über die Karibik auf die USA zu. Er könnte nach Angaben des NHC vom Montag "in ein bis zwei Tagen" Hurrikan-Stärke erreichen.

Auf der östlichsten Bahama-Insel Mayaguana brachten sich etwa 300 Bewohner entweder zu Hause oder in Notunterkünften der Regierung vor Hanna in Sicherheit, auf Haiti sind mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen.

Nach heftigen Regenfällen stand nahezu die gesamte 300.000-Einwohner-Stadt Gonaives unter Wasser, wie Bürgermeister Stephen Moise berichtete. Für die Stadt wurde der Notstand ausgerufen. Moise rief die nationalen Behörden zur Hilfe auf. Er habe in den überschwemmten Straßen der Stadt Gonaives mindestens zehn Leichen treiben sehen, sagte der örtliche Polizeichef. Augenzeugenberichten zufolge stiegen die Fluten teilweise bis an die Decken der Wohnungen, Bewohner flüchteten auf die Dächer ihrer Häuser.

Laut dem US-Hurrikanzentrum NHC drohten Haiti weitere heftige Regenfälle, während das Tief sich Richtung Bahamas fortbewegte. Es sei nicht auszuschließen, dass Hanna auf ihrem Weg in Richtung der USA wieder zu einem Hurrikan heranwachse, warnte das NHC. Gonaives war vor vier Jahren bereits vom Tropensturm Jeanne schwer getroffen worden, dem in der Karibik mehr als 3000 Menschen zum Opfer fielen.

In den USA wurde unterdessen die Suche nach Sturm-Opfern eingeleietet. Der Minister für Heimatschutz, Michael Chertoff, sagte im Fernsehsender CNN, es werde mit Booten, Helikoptern und Armeeflugzeugen nach Menschen gesucht, die sich in Gefahr befänden, "weil sie gefangen oder gestrandet sind oder weil sie ohne Nahrung und Wasser sind".

Wiederherstellung der Stromversorgung kann Wochen dauern

Am Montag war Gustav als Hurrikan mit Geschwindigkeiten von 145 Stundenkilometern über den Süden von Louisiana hinweggefegt. Allein die Wiederherstellung der Stromversorgung für rund 800.000 Betroffene in der betroffenen Region könnte Wochen dauern. Aus den Bundesstaaten Louisiana und Mississippi waren am Wochenende fast zwei Millionen Menschen geflohen, nachdem die Behörden Zwangsevakuierungen angeordnet hatten. Nur ein Bruchteil der Bevölkerung harrte entgegen der Warnungen von Politikern daheim aus.

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Hurrikan Gustav wird die Versicherungsbranche wahrscheinlich weniger hart treffen als Katrina vor drei Jahren. Die Schadensforderungen werden sich zwischen sechs bis zehn Milliarden Dollar bewegen, wie das auf die Berechnung von Katastrophenschäden spezialisierte Institut EQECAT am Montag schätzte. Katrina hatte 2005 noch Ansprüche in Höhe von 40 Milliarden Dollar nach sich gezogen.

Auch der Branchendienst Insurance Information Institute (III) teilte diese Ansicht. "Dieser Sturm ist mit Sicherheit eine Katastrophe, aber die Versicherer waren vorbereitet", sagte III-Präsident Robert Hartwig. "Aus finanzieller Perspektive wird Gustav handhabbar sein." Die Kosten für die Energiebranche mit ihren Öl- und Gas-Plattformen im Golf von Mexiko dürften sich im Vergleich ebenfalls in Grenzen halten.

Ölförderung vermutlich für Tage unterbrochen

Da Gustav auf seinem Zug über die Plattformen nicht an Stärke zugelegt habe, würden nicht so große Verluste wie noch vor drei Jahren erwartet, teilte die auf Risikoanalysen spezialisierte Firma Risk Management Solutions (RMS) mit. Allein bei Energieunternehmen mussten die Versicherer damals für Schäden in Höhe von fünf Milliarden Dollar geradestehen.

Der Energiekonzern Shell rechnet damit, dass die Wiederaufnahme der wegen des Hurrikans Gustav unterbrochenen Ölförderung im Golf von Mexiko drei bis fünf Tage dauern wird. Falls es die Wetterbedingungen zuließen, wolle das niederländisch-britische Unternehmen am Dienstag die ersten Arbeiter in einige evakuierte Produktionsanlagen zurückbringen, teilte Shell mit. Zudem würden die Bohrinseln aus der Luft auf Schäden geprüft.

Die USA rechneten indes damit, dass Shell und der US-Wettbewerber Exxon Mobil wegen der Produktionsausfälle Bestände aus der strategischen Ölreserve der Vereinigten Staaten anfragen werden. Der Gouverneur des Bundesstaates Louisiana, Bobby Jindal, sagte, er habe bereits mit Energieminister Sam Bodman darüber und über die Auswirkungen von Gustav auf die Energieindustrie in Louisiana insgesamt gesprochen.

© dpa/AFP/Reuters/AP/ihe/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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