Hurrikan "Gustav" vor New Orleans:Als ob es kein Morgen gäbe

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Die wenigen Zurückbleibenden in New Orleans trotzen dem Sturm Gustav: Manche sprechen vom Tod, andere feiern wie im Karneval. Der Hurrikan hat die Küste nun erreicht.

Der Hurrikan Gustav hat am Montag die US-Golfküste erreicht. Das Auge des Wirbelsturm traf die Küste von Louisiana südwestlich der evakuierten Großstadt New Orleans.

Trotz Zwangsevakuierung: In "Johnny White's Bar" in New Orleans wird weiter gefeiert. (Foto: Foto: AFP)

Kurz zuvor wurde er zum Hurrikan der Kategorie 2 herabgestuft. Die US-Katastrophenschutzbehörde FEMA ging davon aus, dass Gustav bei seinem Auftreffen auf die Golfküste ein "katastrophaler Sturm" sein würde. Es stünden aber genügend Nahrungsmittel, Wasser, Eis und andere Vorräte für eine Million Betroffene in den kommenden drei Tagen bereit, sagte FEMA-Vizedirektor Harvey Johnson.

Insgesamt verließen allein in Louisiana fast zwei Millionen Menschen die Küste und harrten in Hotels und Notunterkünften aus. Viele Bewohner von New Orleans wollen dem Sturm allerdings weiterhin trotzen.

Während am Sonntag auf Ausfallstraßen der Stadt die Autos Stoßstange an Stoßstange stehen, lassen sich viele Menschen nicht aus der Ruhe bringen. Zu ihnen gehört auch Jack Bosma. "Ich mach' meine Fensterläden dicht, aber dann werde ich erstmal einen heben", sagt er bedächtig, bevor er den Nachbarn auf seiner Veranda Gumbo serviert, einen an der US-Golfküste beliebten Meeresfrüchte-Eintopf.

Bosma und seine Nachbarn im Garden District von New Orleans gehören zu den Unbeirrbaren, die sich allen dramatischen Appellen und Warnungen zum Trotz nicht aus ihrer Stadt vertreiben lassen und stattdessen den Hurrikan Gustav in ihren Häusern aussitzen wollen.

Die ersten heftigen Regenfälle der Ausläufer von Gustav gehen am Sonntagabend bereits über der Metropole nieder, während rund ein Dutzend Gäste in "Johnny White's Bar" an der berühmten Bourbon Street im French Quarter trinken und feiern, als gäbe es kein Morgen. Schon während des verheerenden Hurrikans Katrina vor drei Jahren hatte die Bar sich geweigert zu schließen, und auch diesmal serviert Kellnerin Stephanie Blake unbeirrt Drinks. "Alle Gäste waren gut gelaunt und positiv. Es war wie beim Karneval", zieht sie die Bilanz des Tages.

Kundin Chelsea Leighton gibt sich derweil fatalistisch, als sie in einer Ecke der Bar Münzen in einen Spielautomaten wirft: "Ich glaube, ich werde sterben - also kann ich genauso gut mein Geld verspielen, denn es ist sowieso zu nichts mehr nütze."

Auch der Strip-Club "Larry Flint's Hustler Club" hält für die Kunden weiter die Türen offen. "Ich mache die Schotten dicht, aber solange lasse ich die Leute ein bisschen Spaß haben", sagt Manager John Olmstead. "Ich will den Leuten zeigen, dass es nicht der Weltuntergang ist, wie alle sagen."

Solche Parolen lassen Louisianas Vize-Gouverneur Mitch Landrieu nur den Kopf schütteln. "Das Problem ist, dass manche Leute offenbar nicht zuhören, oder sie hören zu und bleiben trotzdem", sagt er. Doch eins müsse klar sein: "Es ist eine sehr schlechte Idee, in seinem Haus zu bleiben."

New Orleans Bürgermeister Ray Nagin hatte die Zwangsevakuierung der Stadt im Vorfeld des "Sturms des Jahrhunderts" angeordnet. 327.000 Einwohner folgten nach seinen Worten bis Sonntagabend dem Aufruf, schätzungsweise 10.000 Menschen entschieden sich zum Bleiben. "Sie gehen mit ihren Hunden spazieren und haben nicht vor zu gehen", beschreibt er. "Die meisten sind vermögende Leute: Sie haben Generatoren, Sicherheit, Schusswaffen. Gott schütze sie."

Waffen für den Ernstfall

Waffenläden berichten von einem Kundenansturm, weil viele Kunden sich offenbar für eine ähnliche Zeit der Gesetzlosigkeit wie nach Katrina wappnen, als niemand mehr in den Straßen von New Orleans für Recht und Ordnung sorgte und Verbrecher plünderten und mordeten.

Am Bus- und Zugdepot "The Gate" von New Orleans macht sich Evakuierungshelfer Lucas Diaz derweil Sorgen angesichts der geringen Zahlen von Latinos, die die öffentlichen Evakuierungstransporte genutzt haben.

Lehre aus Katrina

"Viele Latinos haben Angst, in Notunterkünfte zu gehen. Sie fürchten, dass sie den Einwanderungsbehörden übergeben werden könnten", sagt er. Viele hätten sich deshalb vermutlich in New Orleans versteckt und warteten dort den Sturm ab.

Der letzte Evakuierungszug verlässt New Orleans am Sonntagabend um halb sechs, die letzten Busse sind da bereits abgefahren. Bürgermeister Nagin will im Rathaus der Stadt ausharren, notfalls auf Luftmatratzen.

Neben hunderttausenden Menschen sind auch zehntausende Haustiere vor dem herannahenden Hurrikan in Sicherheit gebracht worden. Mit speziellen klimatisierten Transportern wurden die Haustiere zu Tierheimen außerhalb der Gefahrenzone gebracht. Mit der großangelegten Evakuierungsaktion wollten Tierschützer ähnliche Szenen verhindern, wie sie sich im Zuge des Hurrikans Katrina vor drei Jahren abgespielt hatten. Damals waren nach Schätzungen von Tierschützern rund 50.000 Haustiere bei der Evakuierung von New Orleans zurückgelassen worden, die meisten von ihnen kamen ums Leben. Wochenlang trieben verrottende Haustierkadaver in den Fluten der überschwemmten Stadt.

© sueddeutsche.de/AFP/AP/dpa/bilu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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