Hurrikan "Laura":Eine Wasserwand, so hoch wie ein zweistöckiges Haus

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Hurrikan Laura brachte der Küste von Louisiana Winde mit 240 Kilometern in der Stunde. Doch mehr als den Sturm fürchten die Behörden die Flutwelle.

Von Oliver Klasen

Vielleicht, so mögen sich manche Bürgermeister und Behördenchefs denken, ist Panikverbreiten in dieser Extremsituation ein legitimes Mittel. Ein bisschen Panik kann vielleicht Leben retten, hier im Süden der US-Bundesstaaten Louisiana und Texas, die so regelmäßig von Hurrikans getroffen werden, dass man versucht sein könnte, einen einzelnen Sturm, wie den am Donnerstagmorgen auf Land getroffenen Hurrikan Laura, nicht ernst genug zu nehmen.

Gegen 1 Uhr nachts am Donnerstagmorgen in der Nähe des Ortes Cameron im Südwesten Louisianas auf Land getroffen, brachte Laura Winde von 240 Kilometern in der Stunde mit sich und war damit einer der stärksten Wirbelstürme der vergangenen Jahrzehnte in der Region. Im Dunkel der Nacht auf Donnerstag richtete Laura erhebliche Schäden in Louisiana und Texas an, die bei Tagesanbruch allmählich sichtbar wurden: Die Wucht des Sturms deckte Dächer ab, riss Fassaden von Häusern weg und ließ Strommasten und Bäume umknicken.

"Seien Sie sich bewusst, dass es dann nur noch Sie und Gott gibt", so wird Thurman Bartie in der New York Times zitiert. Bartie, Bürgermeister der texanischen 50 000-Einwohner-Stadt Port Arthur, in der die Sängerin Janis Joplin geboren wurde, richtet sich an Menschen, die sich trotz der Anordnungen der Behörden weigern, ihre Häuser zu verlassen.

Und der Sheriff im Vermilion Parish unweit von Lake Charles, etwa 60 Kilometer weiter im Inland, hatte auf Facebook einen düsteren Hinweis an die Menschen gegeben, die sich den behördlich angeordneten Evakuierungen verweigerten: "Wenn Sie sich dafür entscheiden, zu bleiben, und wir Sie nicht erreichen können, schreiben Sie ihren Namen, Ihre Adresse, Ihre Sozialversicherungsnummer und Ihre nächsten Angehörigen auf und stecken Sie den Zettel in einem Druckverschlussbeutel in die Tasche."

Der Gouverneur hat die gesamte Nationalgarde des Bundesstaates in Einsatzbereitschaft versetzt

Laura befinde sich im "Vollbiest-Modus", sagte Hurrikan-Forscher Brian McNoldy von der Universität Miami, der Hurrikan klinge wie "ein dröhnendes Düsentriebwerk", beschrieb ein Reporter des Fernsehsenders CNN die Situation in Lake Charles, einer Stadt, die etwa 60 Kilometer im Inland liegt. Dort war der Wind so stark, dass in dem 22 Stockwerke hohen Capital One Tower die Fenster eingedrückt wurden.

Wie bei Hurrikans üblich, schwächte sich auch Laura ab, nachdem sie auf Land getroffen war. Das Auge des Sturms bewegte sich am Donnerstag etwa 25 Kilometer pro Stunde in Richtung Nordosten. Um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit lag es über der Stadt Leesville, etwa 150 Kilometer von der Küste entfernt. Noch immer wurden in dieser Gegend Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 Kilometern in der Stunde gemessen. Nochmal vier Stunden später hatte sich Laura weiter abgeschwächt. Anfangs noch ein Kategorie-4-Hurrikan, war sie zu diesem Zeitpunkt nur noch ein tropischer Wirbelsturm der Kategorie 1 mit Windgeschwindigkeiten von etwa 120 Kilometern in der Stunde.

Mehr als den Sturm fürchten Experten ohnehin die verheerenden Sturmfluten, die Laura verursacht. Für viele sei es kaum vorstellbar, dass eine Wasserwand ins Land kommen könne, die so hoch sei wie ein zweistöckiges Haus, sagte Benjamin Schott, Meteorologe beim Nationalen Wetterdienst (NWS). "Aber genau das wird geschehen." Es sei möglich, dass man das nicht überleben werde. Dutzende Kilometer könnte sich die Flutwelle ins Landesinnere erstrecken.

Die gesamte Nationalgarde des Bundesstaates sei in Einsatzbereitschaft versetzt worden, sagte John Edwards, der Gouverneur von Louisiana. Auch in Texas stehe die Nationalgarde mit Spezialfahrzeugen und Rettungshubschraubern bereit, wie Gouverneur Greg Abbott erklärte. Bis Freitag oder Samstag, so befürchten die Behörden, könnten Orte wie Cameron an der Küste völlig von der Versorgung abgeschnitten sein. Und erst dann, wenn die Flut zurückgegangen und der Wind abgeflaut sein wird, dürfte klar sein, wie verheerend der Hurrikan war.

Versicherungsunternehmen befürchten, dass der Schaden durch Laura mindestens 15 Milliarden US-Dollar betragen könnte. Der Sturm trifft eines der Zentren der US-Ölindustrie. In dem betroffenen Gebiet befinden sich mehrere große Förderanlagen und Raffinerien. In der Vergangenheit haben Hurrikane schwere Schäden angerichtet. Als Hurrikan Harvey im Jahr 2017 zuschlug, kam es zu mehreren Öl- und Chemieunfällen. Das steht auch bei Laura zu befürchten. Am Donnerstagabend gab es bereits eine Meldung von einem Feuer in einer Chemiefabrik nahe Lake Charles. Auf Bildern von der Unglücksstelle waren dicke schwarze Rauchschwaden zu sehen.

Obwohl es erst Ende August ist und die Hurrikan-Saison noch drei Monate anhält, ist Laura bereits der siebte starke Hurrikan in dieser Saison. Normal sind für die ganze Saison drei solcher Hurrikans. Die US-Klimabehörde rechnet damit, dass 2020 ein Rekordjahr für Wirbelstürme werden könnte.

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