Hurrikan "Gustav":"Kriegt eure Hintern hoch und verlasst die Stadt!"

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Mit drastischen Worten warnt der Bürgermeister von New Orleans vor dem Orkan, damit wirklich alle den Ernst der Lage verstehen. Die Stadt scheint besser vorbereitet als vor drei Jahren bei Katrina.

Jörg Häntzschel

Es waren drastische Worte, die Ray Nagin, der Bürgermeister von New Orleans, wählte. Dies sei "der Sturm des Jahrhunderts", die "Mutter aller Stürme". "So etwas haben wir noch nicht erlebt", sagte er. Und rief seinen Bürger zu: "Ihr müsst Angst haben!", "Kriegt eure Hintern hoch und verlasst die Stadt!" Und all jene, die vorhatten, seine am Samstagabend ausgesprochenen Evakierungsanordnung zu ignorieren und in der Stadt zu bleiben, warnte er: "Ihr macht vielleicht den größten Fehler eures Lebens."

Raus aus New Orleans: Eine Mann und eine Frau gehen mit ihrem Gepäck durch die Bourbon Street, versuchen die Stadt zu verlassen. (Foto: Foto: AP)

Tatsächlich könnte sich Hurrikan Gustav, der Wirbelsturm, der seit Tagen durch die Karibik zieht, als ebenso gefährlich erweisen wie Katrina, der Sturm, der fast auf den Tag genau vor drei Jahren große Teile der Stadt verwüstete.

Auf Haiti, Jamaika und den Cayman-Inseln hat Gustav bereits 85 Menschenleben gekostet. Nachdem er sich am späten Samstagnachmittag über Kuba von Kategorie 4 (von fünf möglichen) auf Kategorie 3 abgeschwächt hatte, nahm er am Sonntag über dem warmen Wasser im Golf von Mexiko wieder an Stärke zu.

Bis zu 250 Stundenkilometern

Wenn er, wie erwartet, am Montag das amerikanische Festland erreicht, könnte der Sturm Windgeschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern erreichen. Wie damals liegt New Orleans auf dem prognostizierten Kurs des Wirbelsturms, auch wenn dessen Zentrum den Vorhersagen nach in der dünnbesiedelten Gegend westlich der Stadt liegen wird.

Hunderttausende flohen in den vergangenen Tagen mit ihren Autos aus New Orleans und aus den anderen Orten entlang der Küste des Golfs von Mexiko, fest entschlossen, nicht noch einmal in eine so verzweifelte Lage zu geraten wie vor drei Jahren. Ähnliche Evakuierungsanordnungen wurden auch in den benachbarten Landkreisen ausgesprochen.

Auf den Autobahnen nach Norden bildeten sich lange Staus, doch weil viele früh aufgebrochen waren, war die Panik, die vor und während Katrina allgegenwärtig war, nirgends zu spüren. Man hat die bittere Lektion gelernt: Keine Feuerwehr, kein Rotes Kreuz, keine Nationalgarde, kein Präsident wird helfen, sobald der Sturm losbricht.

So ernst die Prognosen auch sind, Nagin schien die Lage mit seinen dramatischen Worten bewusst schwärzer zu malen, als sie ist, um noch den Letzten zum Gehen zu bewegen, solange es noch möglich ist. Der Bürgermeister, der während Katrina und in der Zeit danach eine überaus schwache Figur abgab, der als inkompetent und überfordert gilt und es nicht schaffte, Schlendrian, Korruption und Rassismus abzustellen, die in New Orleans grassieren, kann sich ein ähnliches Versagen der städtischen Behörden wie beim letzten Mal politisch nicht leisten.

Tatsächlich erscheint New Orleans dieses Mal besser vorbereitet: Anders als in den Tagen vor Katrina, als für die, die nicht mit dem eigenen Auto entkamen, keinerlei öffentliche Transportmittel zur Verfügung standen, wurden am Wochenende bereits Zehntausende, unter ihnen Alte und Behinderte, mit Bussen, Zügen und Charterflugzeugen aus der Stadt gebracht.

Sie kamen in Notunterkünften im Norden des Bundesstaats Louisiana, in Nashville und in Memphis unter. Allen Berichten zufolge lief die Evakuierung vergleichsweise gut organisiert und ruhig ab. "Diesmal werden wir alle retten können", erklärte, wohl ein wenig voreilig, die Präsidentin des Stadtrats, Jackie Clarkson.

Wer allerdings trotz der Evakuierungsanordnung in der Stadt blieb, ist auf sich alleine gestellt. Wie das enden würde, illustrierte Nagin anschaulich, als er empfahl, immerhin eine Axt im Haus zu haben, um das Dach aufhacken zu können.

Seit Katrina ist einiges getan worden

Hunderte ertranken während der durch Katrina ausgelösten Überschwemmungen, weil sie sich aus ihrem volllaufenden Dachstuhl nicht befreien konnten. Die Ankündigung, 2000 Soldaten der Nationalgarde würden nach New Orleans abgestellt, um Plünderungen zu verhindern, ist ein schwacher Trost.

Seit Katrina ist einiges getan worden, um die Deiche entlang der Kanäle, des Mississippi und des Lake Pontchartrain zu reparieren, deren Brechen damals die Katastrophe auslöste. Zwei Milliarden Dollar sind seitdem in die Baumaßnahmen geflossen.

"Das System ist stärker als vor Katrina", sagte Timothy Kurgan vom Army Corps of Engineers, der für den Unterhalt der Befestigungen zuständigen Organisation. Doch das ambitionierte, geschätzte 13 Milliarden Dollar kostende Ausbauprogramm für die Deiche, das der Stadt einen bisher unerreichten Schutz bieten soll, ist erst zu 20 Prozent abgeschlossen.

© SZ vom 01.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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