Holzklotz-Prozess:Geständnisse des Nikolai H.

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Seit drei Monaten wird im Holzklotzwurf-Prozess verhandelt: Doch noch immer ist ungewiss, ob der 31-Jährige der Täter ist.

Hans Holzhaider

Seit fast drei Monaten wird vor dem Landgericht Oldenburg gegen Nikolai H. verhandelt, und noch immer steht nicht fest, ob der 31-jährige Russlanddeutsche wirklich der Mann ist, der am Ostersonntag 2008 von einer Brücke über die Autobahn A 29 bei Oldenburg einen Holzklotz auf die Fahrbahn geworfen und dadurch den Tod der 33-jährigen Olga K. verursacht hat, die zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern auf der Heimfahrt nach Telgte war.

Ein Ende des Prozesses gegen Nikolai H. ist noch nicht abzusehen. (Foto: Foto: dpa)

Handfeste Beweise gegen Nikolai H. hat die Verhandlung bisher nicht erbracht; andererseits ließ sich aber auch der von der Verteidigung geäußerte Verdacht, ein früheres Geständnis des Angeklagten sei durch unzulässige Vernehmungsmethoden erzwungen worden, nicht belegen.

Auch der Umstand, dass Nikolai H. vor zehn Jahren schon einmal ein falsches Geständnis abgelegt hatte, dürfte der Verteidigung kaum weiterhelfen. Die Umstände damals, das kam am letzten Prozesstag zutage, waren völlig andere als im Holzklotz-Fall.

Der drogenabhängige und arbeitslose Nikolai H. hatte sich selbst bei der Polizei gemeldet und angegeben, er sei kurz vor dem tödlichen Ereignis mit dem Fahrrad über die Brücke gefahren, habe dort einen Holzklotz liegen sehen und diesen aus Sorge um die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zur Seite geräumt. Das erschien der Polizei unwahrscheinlich.

Im Garten des Anwesens, wo Nikolai H. wohnte, wurden Holzklötze gefunden, die dem Tatwerkzeug ähnelten, und eine äußerst aufwändige Untersuchung vieler tausend Mobilfunkdaten ergab, dass Nikolai H. sich zur Tatzeit in unmittelbarer Nähe der bewussten Brücke aufgehalten hatte. Er legte, nach anfänglichem Leugnen, zunächst vor den Vernehmungsbeamten der Polizei und dann vor dem Haftrichter ein Geständnis ab.

Die Pantomime des Wurfs

Später wechselte Nikolai H. seine Verteidiger und widerrief sein Geständnis. Die neuen Anwälte machten geltend, er habe während der Vernehmungen unter Entzug gestanden und sei erst nach dem Geständnis mit der Ersatzdroge Methadon versorgt worden, man habe das Geständnis also von ihm erpresst.

Die Polizisten dagegen schilderten, H. habe auf mehrmaliges Nachfragen versichert, es gehe ihm gut, er sei damit einverstanden, wenn zuerst die Vernehmung beendet und er danach mit Methadon versorgt werde. Ähnliches berichtete der Haftrichter; er schilderte auch, wie Nikolai H. pantomimisch vorgemacht habe, wie er den Holzklotz mit beiden Armen vor sich hielt und dann auf die A29 fallen ließ.

Mit dem früher einmal abgelegten falschen Geständnis verhielt es sich so: Am 29. März 1998 war auf einer Landstraße bei Rastede spät nachts ein mit fünf Personen besetztes Auto in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen und hatte sich überschlagen. Als die Polizei am Unfallort eintraf, lag einer der Insassen tot im Straßengraben, ein zweiter schwer verletzt unter dem Auto. Auf Befragen gab Nikolai H. noch am Unfallort an, er habe am Steuer gesessen. Der Schwerverletzte starb wenige Stunden später im Krankenhaus. Nikolai H. wurde festgenommen.

Jetzt änderte Nikolai H. seine Aussage: Nicht er, sondern der Verstorbene sei gefahren. Dieser sei hoch verschuldet gewesen und habe ein kleines Kind; er habe den Mann, sagte Nikolai H., schützen wollen, damit er nicht seinen Führerschein und seinen Job verliere. Die anderen beiden überlebenden Fahrzeuginsassen bestätigten, dass Nikolai H. in Wirklichkeit auf der Rückbank gesessen habe. Auch ein Gutachter kam zu diesem Schluss.

Zum Nachweis, dass Nikolai H. sozusagen notorisch dazu neige, falsche Geständnisse abzulegen, taugt dieser Vorgang also nicht. Im Holzklotzfall gibt es niemanden, den der 31-Jährige zu schützen hätte; ein Motiv für ein falsches Geständnis ist nicht zu erkennen.

Ein Ende des Prozesses ist noch nicht abzusehen. Mit Sicherheit werden H.'s Verteidiger noch eine Reihe von Beweisanträgen stellen, um abzuklären, ob die Polizei auch Hinweise auf andere mögliche Täter mit dem nötigen Nachdruck verfolgt hat.

Der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann gab am Ende des letzten Verhandlungstages einen rechtlichen Hinweis, der für die Verteidigung eher besorgniserregend ist. Zu dem in der Anklage enthaltenen Vorwurf des heimtückischen Mordes in einem Fall könnten auch noch drei Fälle des versuchten Mordes kommen, weil das Fahrzeug, das von dem Holzklotz getroffen wurde, mit vier Personen besetzt war.

© SZ vom 26.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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