Hochzeit ohne Standesamt:Revolution in Weiß

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Seit Bismarcks Zeiten war es unmöglich: Bald können Paare auch heiraten, ohne vorher beim Standesamt gewesen zu sein. Eheleute, die sich nur für das kirchliche Ja-Wort entscheiden, haben allerdings Nachteile.

Heribert Prantl

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das Recht der Eheschließung grundlegend verändert worden: Künftig darf sich ein Paar auch dann kirchlich trauen lassen, wenn es zuvor nicht standesamtlich geheiratet hat. Kirchliche Hochzeit und staatliche Trauung stehen damit völlig unabhängig nebeneinander. Die Neuregelung tritt am 1. Januar 2009 in Kraft. Sie ergibt sich aus dem gänzlich neu gestalteten Personenstandsgesetz.

Ja-Wort: Es gilt, egal wo. (Foto: Foto: istock)

Das neue Recht hindert die Geistlichen nicht mehr, Heiratswillige kirchlich zu verbinden, selbst wenn diese gar nicht beabsichtigen, sich auch staatlich trauen zu lassen. Man kann also nun kirchlich heiraten, ohne sich staatlich und zivilrechtlich binden zu wollen. Seit der Einführung der Zivilehe in Deutschland 1875 waren Priester bestraft worden, wenn sie eine Hochzeit in der Kirche vor der standesamtlichen Eheschließung zelebrierten. Das ist nun vorbei.

Die Paragraphen 67 und 67 a, die eine Hochzeit vor dem Altar ohne vorherige standesamtliche Trauung seit 133 Jahren verboten haben, sind ohne Aufhebens gestrichen worden. Sie galten seit dem Kulturkampf der Bismarck-Zeit. Damals war gegen den heftigen Protest der Kirchen die obligatorische Zivilehe eingeführt worden.

Die Regel des Deutschen Reiches aus dem Jahr 1875 - standesamtliche Heirat muss einer kirchlichen vorausgehen - hielt sich bis heute. Die damit verbundene Strafdrohung gegen die Priester schuf jahrzehntelang Konflikte zwischen Kirche und Staat. Ursprünglich wurde ihnen Haft bis zu drei Monaten angedroht, später die Geldstrafe auf 10 000 Reichsmark erhöht; während der Nazi-Zeit drohten Priestern sogar fünf Jahre Gefängnis. Zuletzt war die verbotene "kirchliche Voraustrauung" in der Bundesrepublik aber nur noch eine Ordnungswidrigkeit ohne Sanktion.

Die Neuregelung dürfte bei christlich geprägten Paaren die bisherigen Hochzeitsrituale verändern: Bisher musste es stets so sein, dass erst im Standesamt und dann in der Kirche geheiratet wurde. So wurden 2006 in Deutschland 373681 Ehen im Standesamt geschlossen; ungefähr 105000 dieser Paare ließen sich dann zusätzlich vor dem Altar trauen.

Die staatliche "bürgerliche Ehe" und die Ehe nach Kirchenrecht stehen nun völlig unverbunden nebeneinander. Der Regensburger Familienrechts-Professor Dieter Schwab weist auf die Folgen hin: "Ein Paar, das sich kirchlich, aber nicht standesamtlich trauen lässt, befindet sich in einer Ehe, die jedoch vom staatlichen Recht als nichteheliche Gemeinschaft angesehen wird - mit allen Konsequenzen."

Das heißt: Kein Unterhalt, kein Erbrecht, kein Steuerfreibetrag, keine Schutzvorschriften für den Schwächeren beim Scheitern der Ehe, auch kein Zugewinnausgleich. Ansonsten auch kein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht, keine Rechte bei der Totensorge oder bei der Organtransplantation.

Familienrechtler Schwab hält daher "die Sache für äußerst bedenklich", wenn die Nur-Kirchenehe gewählt werde, um das Risiko des Scheiterns dieser Ehe vermögensrechtlich auf den schwächeren Partner abzuwälzen. Der Regensburger Professor wirbt deshalb für eine gründliche juristische Aufklärung.

© SZ vom 03.07.2008/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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