Hessen:Carl oder Karl?

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Falscher Vorname, falscher Nachname: Straßenschild in Hessen. (Foto: Valentin Gensch/dpa)

Komplizierte deutsche Sprache: Falsche Straßenschilder haben in Hessen eine beachtliche Lokalposse verursacht.

Von Sophie Burfeind

Gut gemeint war es ja von den Hessen. Sie wollten Carl Ulrich ehren, den ersten gewählten Staatspräsidenten des Bundeslandes, ein großer Vorkämpfer der Sozialdemokratie. Die Offenbacher schufen sich also ihre Carl-Ulrich-Brücke, die Zwingenberger ihre Carl-Ulrich-Jugendherberge, viele Gemeinden in Hessen und Rheinland-Pfalz benannten Straßen nach ihm. Beziehungsweise: versuchten es. Nicht immer klappte es mit der richtigen Schreibweise, ist ja auch nicht so einfach: Carl mit "C", Ulrich mit einem einzigen "l".

Ein bisschen peinlich wurde das neulich für die Osthofener in Rheinland-Pfalz. Dort gab es während des Zweiten Weltkriegs ein Konzentrationslager; nach Kriegsende machten sich die Politiker mit großem Elan daran, Straßen mit Nazi-Namen umzubenennen und liberalen Politikern und Widerstandskämpfern zu widmen. Darunter 1953: eine für Carl Ulrich. Den schrieben die Osthofener aber mit "K" und Doppel-"l". Eigentlich nicht weiter tragisch, ein dummer Schreibfehler - hätte es da nicht tatsächlich einen Karl Ullrich gegeben: Nazi, ranghoher SS-Oberführer. Noch peinlicher: Die Karl-Ullrich-Straße grenzte an die KZ-Gedenkstätte. Eine Geschichtsstudentin machte die Stadt auf den Fehler aufmerksam, das Schild wurde sofort ausgetauscht.

Man vermutet gar nicht, dass der eher schlichte Name "Carl" so viele Probleme verursachen kann, eine Lokalposse beachtlichen Ausmaßes gar. Aber "C" oder "K", ein "l" oder zwei, das kann halt doch verwirrend sein, weshalb sich auch andere Gemeinden schwer taten mit dem Carl. Warum? Thomas Goller, Bürgermeister von Osthofen, glaubt: "Wahrscheinlich hat man, wie der Rheinhesse nun mal so ist, den Namen einfach geschrieben, wie man's spricht."

Als die Sache mit Nazi-Karl aus Osthofen bekannt wurde, stellte ein Mitarbeiter des Bauamts in Ginsheim-Gustavsburg fest, dass auch hier der Carl falsch geschrieben war: "Karl Ulrich", der Nachname mit einem "l" und damit wenigstens nicht wie der Nazi-Ullrich, dafür aber der Vorname mit "K". Umgehend ließ das Bauamt das Schild austauschen. Was gut gemeint war, kam jedoch bei den Anwohnern gar nicht gut an. Sie protestierten dagegen, die Personalausweise ändern zu müssen, außerdem könne der Postbote sie nicht mehr finden und, viel schlimmer!, das Navi sie nicht mehr nach Hause bringen.

"Da haben wir halt das K am nächsten Tag wieder hingehängt", sagt Andreas Hummel vom Bauamt. Bei der Gelegenheit haben sie gleich ein neues Schild mit dem falschen "Karl Ulrich" anfertigen lassen, weil das alte schon verrostet war. Die Aktion hat die Gemeinde 300 Euro gekostet.

Peinlich? Ach was, sagt Herr Hummel vom Bauamt. "Das Schild war ja schon immer falsch und wir haben schon immer den Sozialdemokraten gemeint", den mit "C" also. Zur Zufriedenheit aller haben sie sich eine wirklich naheliegende Lösung überlegt in Ginsheim-Gustavsburg: Unter das Straßenschild mit dem falsch geschriebenen Vornamen kommt dieser Tage ein Zusatzschild, auf dem steht, dass der Mann der erste hessische Staatspräsident war, "K" oder "C" hin oder her, sei doch klar, um wen es gehe.

"Uns tut es leid, dass wir den Sozialdemokraten falsch schreiben", sagt Hummel. Das Schild mit dem richtigen "Carl" liegt nun auf dem Schrank in einem Büro im Bauamt - als Erinnerung dafür, dass man besser nicht einfach so ein "K" zum "C" machen sollte.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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