Herbstwetter im Mai:Mit Anlauf in die Pfütze

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(Foto: dpa)

"Kann mal bitte jemand den kleinen November aus dem Mai abholen?", fragt ein Facebook-User genervt. Seit Tagen regnet es in Strömen, die Temperaturen bleiben im Keller. Viele Deutsche haben den Winter-Blues. Bis auf Willy Schüffler. Der hat allen Grund, sich über das schlechte Wetter zu freuen.

Von Merle Sievers

Ein Blick aus dem Fenster verrät: Auch an diesem Morgen greifen wir lieber zu Mütze und Schal, statt zur dünnen Sommerjacke. Dick eingepackt und mit Regenschirm geht es raus auf die nassen Straßen. Nicht zum Fahrradständer natürlich, sondern zur U-Bahn - zum Radfahren ist es schlicht zu kalt. Was Ende Mai ist, fühlt sich an wie Ende November. Deutschland erlebt ein Wetter-Trauerspiel.

Mancherorts werden deshalb auch noch Relikte des Winters aufgehoben, wie zum Beispiel in Erlangen, wo es auf der Bergkirchweih bis vor Kurzem sogar heißen Glühwein zu kaufen gab. Weihnachtsfeeling im Frühsommer. "Den Glühwein hatten wir noch im Sortiment, weil die Temperaturen so katastrophal niedrig sind", sagt Sprecher Dieter Germann.

Seit Wochen hüllt sich Deutschland in einheitliches, nasskaltes Grau - unterbrochen von wenigen Sonnenstunden. Auf dem Brocken gab es vergangenes Wochenende 13 Zentimeter Neuschnee. Nix mit kurzen Hosen und Bratwurst essen im Park: Mit jedem weiteren Regenschauer wächst der Frühlingsfrust ins Unermessliche.

Und geregnet hat es ordentlich in den vergangenen Tagen. Im Mai hat sich die durschnittliche Regenmenge pro Quadratmeter im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt. Die Behörden warnen vor vollgelaufenen Kellern und überfluteten Landstraßen. In Nordbayern sind bereits einige Seen und Flüsse über die Ufer getreten.

Auf der Bergkirchweih in Erlangen kann man sogar Ende Mai noch Glühwein trinken - als "Sommer-Special". (Foto: Germann/Bergkirchweih)

Zu den Sturzbächen kommen eisige Temperaturen: "Verglichen mit unseren europäischen Nachbarn haben wir derzeit die niedrigsten Temperaturen. Sogar in Schweden und Finnland sind es um die 23 Grad", sagt Dorothea Paetzold vom Deutschen Wetterdienst.

Selbst im kühlen Norden ist das Wetter also schöner als bei uns. Da liegt der Gedanke nahe, einfach den Wolken zu entfliehen und sich in die Sonne abzusetzen. Von diesem Frustfaktor profitiert vor allem die Reisebranche. "Die Leute haben die Nase voll vom schlechten Wetter. Viele ziehen ihren Sommerurlaub vor und fliegen kurzentschlossen in die Türkei oder nach Griechenland", berichtet Stefan Suska von Alltours Flugreisen. Groß im Geschäft ist auch Mallorca. Im 17. deutschen Bundesland kletterten die Temperaturen am vergangenen Wochenende auf 26 Grad.

Während die Urlauber also die Sonne im Ausland genießen, beklagen sich alle Dagebliebenen über das schlechte Wetter, ob im Netz, am Kiosk oder am Gartenzaun. Der Winter-Blues geht um.

Einer, der sich freut

Doch es gibt auch jemanden, der sich über das Regenwetter freut. Willy Schüffler, Leiter der Interessengemeinschaft Schirm und Stock, erlebt mit seinem Fachgeschäft für Regenschirme in diesen Tagen "einen ungewöhnlichen Boom". "Wir Schirmgeschäfte leben vom Regen. Im Moment verkaufen wir doppelt so viele Schirm wie normal. Wir sind wirklich sehr zufrieden mit dem Wetter", freut sich Schüffler. Für alle Gefrusteten hat Schüffler außerdem noch einen Tipp, um die Regenzeit zu überstehen: "Einfach mal mit einem hübschen Schirm im Regen draußen spazieren gehen. Das ist auch gut für die Gesundheit."

Wahrscheinlich ist das im Moment die beste Option, die wir haben. Gummistiefel rausholen, mit Anlauf in die Pfütze springen und dem schlechten Wetter trotzen. Es gibt übrigens auch Grund zur Hoffnung. Dorothea Paetzold vom Deutschen Wetterdienst macht Mut: "Vergangenes Jahr war es anders herum: Da gab es einen heißen Mai und dann einen eher kühleren Sommer. Wir sollten die Hoffnung auf einen schönen Sommer also noch nicht begraben."

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