"Gorch Fock":Junge Offiziersanwärterin vermisst

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Eine 18-jährige Marinesoldatin ist in der Nacht vom Segelschulschiff Gorch Fock in die Nordsee gestürzt. Bisher konnte sie nicht gefunden werden.

Auf ihr zu dienen, ist für viele Soldaten ein Traum - doch für die Besatzung und Kadetten des Segelschulschiffs Gorch Fock ist diese Fahrt zum Albtraum geworden.

"Gorch Fock": Alptraum auf dem traditionsreichen Schulschiff. (Foto: Foto: dpa)

Eine 18-jährige Marine-Kadettin stürzt in der Nacht zu Donnerstag während ihrer Wache an Deck rund 20 Kilometer vor der Insel Norderney in die aufgewühlte Nordsee. Seither wird die junge Offiziersanwärterin aus Nordrhein- Westfalen vermisst.

Auch ein Großaufgebot an Rettungskräften konnte die junge Soldatin bisher nicht finden. Die Chancen, dass sie noch lebt, schwinden stündlich. Das Wasser der Deutschen Bucht ist etwa 17 Grad kalt. Warum die Kadettin über Bord ging, ist noch unklar. Das Unglück geschah kurz vor Mitternacht. Nach Angaben der Marine herrschte südwestlicher Wind mit Stärke sieben und zwei Meter hohe Wellen. Die Gorch Fock habe auf ihrem Ostkurs aber "ruhig und stabil" im Wasser gelegen.

Die Kameraden hätten das Verschwinden der 18-Jährigen sofort bemerkt. Doch der Dreimaster fuhr unter vollen Segeln - und kann nicht plötzlich bremsen oder beidrehen. Nach vorläufigen Angaben der Marine hat es bisher "fünf oder sechs" tödliche Unfälle auf der 50 Jahre alten Gorch Fock gegeben. Ins Wasser gefallen und ertrunken sei aber noch nie jemand.

"Beim Notfall 'Mann über Bord' wird sofort die gesamte Besatzung geweckt", sagt Fregattenkapitän Achim Winkler, der bis 1995 als Ausbildungsleiter auf dem Schulschiff diente. "Parallel legt die stehende Segelwache sofort los, nimmt die Untersegel weg und dreht den Großmast um. Dann bleibt das Schiff stehen." Das Manöver brauche aber Zeit.

Winkler schätzt, dass es rund fünf Minuten dauerte und die Gorch Fock währenddessen wohl 1500 Meter zurückgelegt habe. "Gleich zu Anfang wird eine Rettungsboje ins Wasser geworfen, die sich zu einer Vier-Mann-Insel auffaltet", sagt der Schulschiff- Experte. "Wenn jemand schwimmt, also nicht bewusstlos ins Wasser fällt, sind die Chancen gut, die Insel zu erreichen."

Schwimmwesten trägt die Crew bei der Wache an Deck nicht. Einen Sog, der die 18- Jährige unter Wasser zog, "kann es eigentlich nicht gegeben haben", sagt Winkler. Die Gefahr bestehe nur bei Schiffsschrauben. Ist das Schiff gestoppt, setze die Crew zwei Rettungsboote aus. "Man muss dann der Spur des Kielwassers folgen. Aber mitten in der Nacht ist die Suche natürlich schwierig. Das ist wie ein Stochern im Heuhaufen", sagt der ehemalige Ausbildungsleiter. Die Gorch Fock habe keinen Suchscheinwerfer, auch die kleinen Rettungsboote nicht. Das aufwendige Rettungsmanöver werde aber regelmäßig geprobt.

Schiffe der Bundespolizei, der Deutschen Marine und der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) eilten der Gorch Fock zur Hilfe und suchten auch am Nachmittag noch fieberhaft. Die Marine sagte den Besuch des Schiffes in Hamburg und ihren Marineball in Flensburg aus kameradschaftliche Gründen ab.

Erst vor wenigen Wochen wurde das 50-jährige Jubiläum der 1958 in Dienst gestellten Gorch Fock gefeiert. 14.000 Offiziers- und Unteroffiziersanwärter haben in dem halben Jahrhundert ihre seemännische Grundausbildung auf dem Segelschulschiff durchlaufen. Zum aktuellen Ausbildungsjahrgang gehören 222 Kadetten.

Die Gorch Fock befindet sich seit dem 28. August auf einer Ausbildungsreise von Kiel nach Hamburg, wo sie am Freitag einlaufen sollte. 107 auszubildende Soldaten - darunter 24 Frauen - fuhren mit.

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Mehr als 680.000 Seemeilen, etwa 1,26 Millionen Kilometer, hat das Ausbildungsschiff der Marine zurückgelegt. 2008 feierte die Gorch Fock ihren 50. Geburtstag.

Tobias Opitz
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