Glamorama:Vom Umgang mit Kindern

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So einer hat in der Nähe von Donald Trump nichts verloren. (Foto: imago/Science Photo Library)

Keine guten Tage für Kinder im öffentlichen Raum. Zuletzt ließ Donald Trump ein quengelndes Baby von seiner Veranstaltung entfernen. Einfach so.

Von Roman Deininger

"Kinder erfrischen das Leben und erfreuen das Herz", stellte Anfang des 19. Jahrhunderts der evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher fest. An dieser Stelle ganz herzlichen Glückwunsch an Herrn Professor Schleiermacher, der es als erster evangelischer Theologe des 19. Jahrhunderts in eine Promi-Kolumne des 21. Jahrhunderts schaffte. Aber nicht übermütig werden, Prof, die Schleiermacher-These muss nämlich aus aktuellen Gründen wie folgt ergänzt werden: Kinder erfrischen das Leben und erfreuen das Herz, es sei denn, es handelt sich um das Herz von Donald John Trump.

Bis vor Kurzem war dieser Trump ja - journalistisch gesehen - als seltsamer Vogel im Käfig der Promi-Kolumnen sicher verwahrt; nun ist er mit seiner Präsidentschaftskandidatur in die Politik-Nachrichten entflogen. Aber auch für Trump gilt natürlich die alte Ornithologen-Weisheit: Vogel bleibt Vogel. In dieser Woche traf sein unkontrollierter Flügelschlag ein schreiendes Baby, das er wegen wiederholter Ruhestörung aus einer Wahlkampfveranstaltung werfen ließ. Das arme Kind war wohl nur bemüht, nach Gutdünken das Leben aller Anwesenden zu erfrischen, doch Trump empfahl der Mutter mit Nachdruck: "Schaffen Sie das Baby hier raus!"

Es sind dies - sorry, Herr Schleiermacher - schlechte Tage für kleine Kinder, der globale Trend geht zu ihrer Entfernung aus dem öffentlichen Raum. Bei der Fußball-EM in Frankreich verbannte die Uefa die Sprösslinge der Spieler vom Rasen, den sie nach Abpfiff in Trikots mit dem Namenszug "Daddy" gestürmt hatten. In Fürth wurde die Mami der quengeligen Lina, 2, von Supermarkt-Mitarbeitern dringend aufgefordert, "dafür zu sorgen, dass die übrigen Kunden ihr Recht auf Einkaufen in entspannter Atmosphäre wahrnehmen können".

Das Recht, entspannt einzukaufen, wird im 21. Jahrhundert höher bewertet als das Recht, das Herz zu erfreuen, mehr muss man über die Lage der Dinge eigentlich nicht wissen. Papst Franziskus, der inzwischen in jede gute Promi-Kolumne gehört, hat dazu alles Nötige gesagt, nämlich: "Die Tränen eines Kindes sind die beste Predigt." Ihn störten nicht schreiende Kinder, sondern Kirchgänger, die sich über sie beschweren.

Nach den Kriterien des Papstes hat sich Trumps Rivalin Hillary Clinton bereits 2008 als Führerin der freien Welt qualifiziert, als sie die kleine Dahlia auf den Arm nahm und deren Windeln nicht dichthielten. Selbst darüber beschwerte Clinton sich nicht. Vielleicht ist sie aber im Gegensatz zu Trump auch nur ein Profi der US-Politik, zu deren festen Ritualen das Herzen von Babys gehört. Unerreicht in dieser Disziplin ist der scheidende Präsident Barack Obama, ihm werden medienseitig gern "magische Kräfte" zugeschrieben, die alle Kindertränen sofort trocknen. Sich um die Kinder zu kümmern, das ist ja letztlich die nobelste Aufgabe eines jeden Präsidenten, und gerade für sie wäre es wünschenswert, wenn irgendwer Donald Trump möglichst bald hier rausschafft.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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