Glamorama:Glitsch-Faktor

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Wolfgang Bosbach, CDU, aalt sich auf seinem neuen Königsthron. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Wolfgang Bosbach von der CDU ist unter die Majestäten gegangen. Er ist nicht der einzige Prominente mit einem glamourösen Zweitjob.

Von Titus Arnu

Der Kuschelfaktor eines Aals geht gegen null. Anders als Pandabär, Angorakaninchen und Labradorwelpe wirkt er überhaupt nicht flauschig, großäugig und rundlich. Das Tier entspricht so gar nicht dem Kindchenschema: winzige Augen, schlauchartiger Körper, schwarze Glitschhaut. Man soll ja keine Randgruppen ausgrenzen, aber wenn Menschen instinktiv etwas eklig finden, dann sind das schlangenförmige Biester, die in trüben Gewässern herumwuseln und sich von Aas ernähren.

Es klingt also nicht nach einem Imagegewinn für Wolfgang Bosbach, dass er in Bad Honnef zum "Aalkönig des Rheinlandes" ernannt wurde. Der CDU-Politiker übernimmt die Krone vom FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner, der die extreme Doppelbelastung wieder los ist. Als Liberaaler war Lindner natürlich eine Idealbesetzung in der Rolle des semi-glamourösen Aalkönigs, aber was qualifiziert Bosbach für dieses Amt?

Der 64-jährige CDU-Mann ist kein aalglatter Politiker, aber auch kein harmlos vor sich hin vegetierender Polit-Panda. Er ist bei den Wählern beliebt, weil er oft Klartext redet und die Kanzlerin ab und zu kritisierte, lange bevor das Merkel-Bashing in Mode kam. Mit Wolfgang Bosbach habe man "einen ganz besonders guten Fang gemacht", jubelt der Sprecher des Aalkönig-Komitees, Staatssekretär a. D. Friedhelm Ost. Bosbach war bereits vor 39 Jahren Karnevalsprinz in Bergisch-Gladbach. Nicht mal zwei Jahrzehnte später wird er zum König gekrönt - Prinz Charles wartet wesentlich länger auf diese Beförderung.

In Deutschland wurde die Monarchie ja eigentlich abgeschafft, aber die Republik wird systematisch unterwandert von Wurstkönigen, Schützenkönigen, Gurkenkönigen, Wein-, Spargel- und Knödelköniginnen. Da ist der Aalkönig schon etwas ganz Exklusives. König Wolfgang hat allerdings keine politischen Befugnisse, nicht mal im Fischereiwesen. Es ist eine Auszeichnung, die vergleichbar ist mit dem "Krawattenmann des Jahres", dem Krautkönig von Wersen bei Osnabrück oder dem "Pfeifenraucher des Jahres". Derzeit amtierender Krawattenmann ist übrigens der Modedesigner Guido Maria Kretschmer, Pfeifenraucher des Jahres der Regisseur Volker Weicker. Ex-Regierungssprecher Friedhelm Ost wiederum war mal Krautkönig von Wersen, wodurch wir trotz gedanklicher Schlangenlinien wieder die Kurve kriegen zu den Aalen.

Nach der Inthronisierung als Krautkönig dachte Ost zusammen mit Freunden über königliche Karrierechancen für seinen Wohnort Bad Honnef nach. Man fand heraus, dass der Ort auf eine lange Aalfangtradition zurückblicken kann. Man fand auch heraus, dass zum Ende jeder Fangsaison ein Aalkönig gekürt wurde. Und man fand eine Aufgabe für den Aalkönigsverein: Ein alter Aalschokker sollte renoviert werden. Ein Aalschokker ist kein Gerät zum Fische-Erschrecken, sondern ein niederländischer Schiffstyp, mit dem Aalfischer früher auf dem Rhein unterwegs waren.

Europäische Aale gelten als vom Aussterben bedroht. Sie sind noch seltener geworden als europäische Pfeifenraucher und Krawattenträger. Deshalb ist Bosbach ein würdiger Aalkönig: ein selten gewordener Politikertyp, der nicht so leicht wegflutscht und auch noch Humor hat, der nicht fischig wirkt.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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