Gesundheit:Der unterschätzte Joint

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Nachrichten über Drogentote sind seltener geworden. Doch ein aktueller Bericht der Regierung zeigt: Viele Jugendliche konsumieren weiche Drogen.

Nina von Hardenberg

Wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Drogenbericht der Bundesregierung hervor geht, hat die Zahl der Menschen, die an den Folgen des Rauschgiftkonsums starben, im vergangenen Jahr mit 1326 einen neuen Tiefststand erreicht.

Doch diese positive Nachricht wollte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung nicht in den Vordergrund rücken. Sie sehe "keinen Anlass zur Entwarnung", sagte Sabine Bätzing bei der Vorstellung des Berichts in Berlin. Was die Suchtexpertin beunruhigt: Zwar scheint die Gesellschaft die Gefahren der harten Drogen erkannt zu haben, doch gleichzeitig wird immer mehr und immer sorgloser Cannabis geraucht.

"Überall in Europa unterschätzen Jugendliche die Risiken des Cannabiskonsums", sagt Bätzing. Knapp 400.000 Menschen seien abhängig, bräuchten Beratung und Therapie. Doch das traditionelle Suchthilfesystem ist auf diese Gruppe von Hilfesuchenden nur schlecht vorbereitet.

Die Bundesregierung will darum jetzt frühzeitiger Hilfe anbieten. Außerdem soll der Kampf gegen das Rauchen bei Jugendlichen verstärkt werden. Wer keine Zigaretten raucht, wird auch nicht so schnell zum Joint greifen, lautet ihr Kalkül.

Ein flexiblerer Umgang mit schwer rauschgiftabhängigen Menschen - das ist die Strategie der Bundesregierung. Dass jedes Jahr weniger Menschen an Rauschgift sterben, ist auch der Erfolg einer neuen Politik gegenüber den schwer kranken und sozial ausgegrenzten Rauschgiftsüchtigen: Diese werden zunächst als Patienten und nicht mehr als Kriminelle behandelt.

Heroin vom Staat

Bei einem Modellprojekt des Bundes in sieben deutschen Städten bekamen Schwerstabhängige Heroin zur Verfügung gestellt. Die liberale Drogenpolitik soll ausgeweitet werden. Allerdings gibt es auch Kritik: "Es ist nicht richtig, dass der Staat harte Drogen abgibt", sagt der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Damit bestünde die Gefahr, dass auch andere Drogen, wie etwa Cannabis, hoffähig gemacht würden.

Doch nicht nur die illegalen Drogen beschäftigen die Suchtexperten. Mindestens ebenso alarmierend sei das Ausmaß der Tabak-, Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. Demnach sterben jedes Jahr 110.000 Menschen an den Folgen des Rauchens, 40.000 am Alkohol.

Hälfte der Tische bald für Nichtraucher

Immerhin scheint sich bei den jungen Rauchern eine Trendwende abzuzeichnen: Qualmten 2001 noch 28 Prozent der 12- bis 17-Jährigen, so sind es heute nur noch 20 Prozent. "Rauchen ist uncool geworden", sagt Bätzing. Ein Erfolg, den sie gerne auch der Bundesregierung zuschreiben will. Eine Umfrage habe ergeben, dass 6,1 Prozent der Raucher nach der letzten Erhöhung der Tabaksteuer das Rauchen aufgaben.

Außerdem drängt die Regierung die Gastwirte, das Rauchen in ihren Kneipen und Restaurants einzuschränken. Die Gastronomen verpflichteten sich, bis Ende März 2008 stufenweise die Hälfte ihrer Tische für Nichtraucher zu reservieren. Beim Alkohol scheint die Preisschraube ein wirkungsvolles Instrument zu sein. So kaufen nur noch halb so viele Jugendliche Alkopops, seit eine Steuer diese hochprozentigen Mix-Getränke verteuert hat.

© SZ vom 4.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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