Gesellschaft:Alle Menschen sind gleich - oder?

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Der Bundesrat hat das umstrittene Gleichbehandlungsgesetz beschlossen - fünf Betroffene berichten, was das für sie bedeutet.

Roland Preuß

Ob bei der Wohnungssuche, beim Automieten oder am Eingang einer Disco: Geschlecht, Rasse oder Herkunft sollen künftig nicht mehr darüber entscheiden, wer zum Zuge kommt. So sieht es das Gleichbehandlungsgesetz vor, das nach dem Bundestag am Freitag auch der Bundesrat beschlossen hat. Dadurch werden erstmals auch Homosexuelle, Behinderte und alte Menschen vor Diskriminierung geschützt. Auch sie dürfen nicht mehr aus Hotels, von bestimmten Versicherungen oder Stellenangeboten ausgeschlossen werden. Allerdings gibt es Ausnahmen, beispielsweise gelten die Regeln nicht für Vermieter mit weniger als 50 Wohnungen. Wer das Gesetz bricht, muss Schadensersatz zahlen. Wirtschaftsvertreter kritisieren die Vorschriften als Bürokratie-Monster. Die SZ hat Betroffene gefragt, was die Neuregelung für sie bedeutet - vom Afroamerikaner bis hin zum größten Wohnungsvermieter im Land.

Der Behinderte

Bernd Masmeier, Pädagoge und Rollstuhlfahrer aus Düsseldorf: "Viele Behinderte machen die Erfahrung von Ungleichbehandlung. Bei mir war es eine Versicherung, die meinen Wunsch ablehnte, eine Police zur freien Wahl der Klinik abzuschließen. Gewisse Risiken seien "nicht kalkulierbar", hieß es, weil ich unter einer spastischen Lähmung leide. Mit dem neuen Gesetz dürfen uns die Versicherer weiterhin anders behandeln als die Mehrheit, sie müssen es nur genauer begründen, nämlich mit einer Statistik, die ein höheres Risiko belegt. Besonders ärgert mich, dass das Gesetz Frauen strenger gegen Ungleichbehandlung schützt als Behinderte. Ungewiss bleibt auch, ob das Diskriminierungsverbot hilft, wenn eine Gaststätte oder ein Konzertveranstalter Behinderte abweist. Denn die Wirte können sich auf Gefahrenabwehr oder Brandschutz berufen, den sie dann nicht garantieren könnten. Wenigstens sind wir überhaupt in das Gesetz aufgenommen worden. Das ist aber nur ein Etappensieg, denn wir wollen mehr."

Der Vermieter

Volker Riebel, Chef der Deutschen Annington GmbH in Bochum, die 20000 Wohnungen pro Jahr vermietet:

"Für uns große Vermieter ist das Gesetz nicht nötig, weil wir niemanden wegen seiner Hautfarbe oder Homosexualität benachteiligen. Wenn wir eine Wohnung vermieten, entscheidet vielmehr, ob jemand bisher zuverlässig gezahlt hat und ob er gerne Streit mit Nachbarn anfängt. Wir brauchen allerdings weiterhin die Freiheit, einen Mieter auszuwählen, der sich in eine Hausgemeinschaft einfügt. Wenn wir zum Beispiel ein Haus mit zehn Wohnungen haben, in neun davon leben seit langer Zeit ältere Mieter, dann müssen wir jemand Passendes aussuchen. Das heißt nicht, dass die Nachbarschaft gleichförmig sein soll, häufig kommt es eher darauf an, die richtige kulturelle Mischung zu finden und die Bildung von Ghettos zu vermeiden. Leider bezeichnet das Gesetz aber Vermietungen als "Massengeschäft". Eine Wohnung zu vergeben, ist jedoch nicht das Gleiche wie ein Kauf am Wühltisch im Laden. In der Praxis wird das Gesetz keine große Rolle für uns spielen. Dass abgelehnte Mietinteressenten vor Gericht ziehen, das kann passieren. Eine Klagewelle erwarte ich aber nicht."

Der Amerikaner

Michael Flannagan, Sänger und US-Bürger, lebt in Detmold:

"Als ich einmal in einem Opernhaus vorsang, sagte man mir: Sie haben eine wunderschöne Stimme, aber sie passen nicht bei uns rein. Natürlich ging es um meine Hautfarbe, auch wenn das nicht ausgesprochen wurde. Ähnlich bescheuert ist es, dass bei Wohnungsanzeigen Ausländer häufig von vorneherein ausgeschlossen werden. Ich finde es schlimm, dass das weiterhin erlaubt ist, zumindest bei kleineren Vermietern. Immerhin, das Gesetz wird Ausländern einen gewissen Schutz geben. Vor allem verbietet es weitgehend, Diskriminierendes öffentlich zu sagen. Schade ist, dass es der Polizei keine Regeln vorschreibt. Wenn 40 Leute im Zug sitzen, bin ich oft der einzige, der seinen Pass zeigen muss. Ich habe als Amerikaner nur wenige Probleme in Deutschland, auch im Vergleich zum Rassismus in meiner Heimat. Gerade diese Kontrollen finde ich am schlimmsten."

Der Club-Betreiber

Christian Heine, Betreiber des Münchner Clubs "Atomic-Cafe"

"Man sieht es schon an meinem Personal, dass bei uns nicht diskriminiert wird: Ich beschäftige Frauen und Männer jeglicher Hautfarbe. Das sind auch keine Kriterien, nach denen wir an der Clubtür auswählen. Wichtiger ist, wie die Leute am Eingang auftreten, etwa, ob jemand gleich selbst die Tür aufreißt. Gruppen, die wir nicht kennen, haben schlechtere Chancen reinzukommen. Es kommt auch vor, dass wir Behinderte nicht reinlassen, das liegt aber an unseren Räumen aus den sechziger Jahren. Rollstuhlfahrer können unsere engen Notausgänge versperren, in Notsituationen kann das richtig gefährlich sein. Deshalb muss eine Auswahl erlaubt sein. Vor Gericht dürften wir damit kaum Probleme haben. Wir entscheiden nur nach legalen Kriterien. Auch wenn eine Gruppe betrunkener Fußballfans ankommt, muss ich die zurückweisen können, ohne gleich Schadensersatz zahlen zu müssen. Die richtige Auswahl hilft, dass es im Club nur sehr selten Schlägereien gibt. Zudem brauchen wir an unserer Tür eine gewisse Freiheit, weil wir eine bunte Mischung an Menschen schaffen wollen, die zu einer guten Stimmung führt."

Der Unternehmer

Tanguy Doron, Franzose, Chef eines Restaurants am Münchner Flughafen:

"Auch als Unternehmer verstehe ich nicht den Widerstand gegen das Gesetz. Ich habe erst Anfang Mai eine Türkin in meinem Restaurant eingestellt, und das war eine gute Entscheidung. Es ist doch egal, wo sie herkommt, es ist nur wichtig, dass sie Leistung bringt. Ich habe selbst Erfahrung mit Diskriminierung in Deutschland gemacht: Einmal wollte mir eine Firma keine Schleifmaschine ausleihen, weil ich keinen deutschen Pass habe, einmal sagte mir eine Wohnungsbesitzerin, sie vermiete nicht gerne an Ausländer. Ich verstehe nicht, dass dies nicht verboten wird. Das Gesetz sollte nun knallhart durchgesetzt werden. In Frankreich haben wir schon länger eine strengere Regelung für Vermieter. Einige Leute haben schon geklagt und Entschädigungen bekommen. Vielleicht liegt manche Ungleichbehandlung auch daran, dass ein Hausbesitzer in Deutschland einen schlechten Mieter nur schwer wieder los wird. Dann wählt er eben um so strenger aus."

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