Germanwings-Absturz:Flugschule im Visier

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Ein Gedenkstein erinnert nahe dem Fundort in den französischen Alpen an den Absturz der Germanwings-Maschine. (Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Co-Pilot Andreas Lubitz, der die Maschine in Selbstmordabsicht zum Absturz brachte, wurde in Arizona ausgebildet. Hätte die Flugschule ihn überhaupt annehmen dürfen? Angehörige der Opfer hoffen auf Entschädigung in den USA.

Von Hans Leyendecker, München

Strafrechtlich ist der Fall des Germanwings-Absturzes vom 24. März 2015 in Deutschland wohl abgeschlossen, aber an einer anderen juristischen Front soll weitergekämpft werden: Es geht ums Zivilrecht in Deutschland, Spanien und den USA. Im Zentrum des Interesses steht eine Flugschule in Arizona, die zu hundert Prozent der Lufthansa gehört und an der der Pilot Andreas Lubitz Unterricht nahm.

Die amerikanische Bundespolizei FBI stellte bei ihren Anhörungen den Mitarbeitern eine einfache Frage: Ist Ihnen bei der Ausbildung von Andreas Lubitz irgendetwas aufgefallen? Die Erkenntnisse waren nicht üppig. Fluglehrer konnten sich kaum an den Deutschen erinnern; die Anhörung einer Verwaltungsangestellten brachte auch keine gravierenden Erkenntnisse.

Was das FBI herausgefunden hat, floss in jenes Todesermittlungsverfahren ein, das die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft vor Kurzem, wie berichtet, einstellte. Ergebnis: Copilot Lubitz allein trägt die Schuld am Absturz der Maschine auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen, bei dem mit ihm 149 Menschen starben. Es gibt keinen weiteren Verdächtigen, niemand hat durch Unterlassen oder die Verletzung von Vorschriften dazu beigetragen, dass der Copilot in selbstmörderischer Absicht die Maschine zum Absturz bringen konnte.

Beschwerden von Anwälten gegen diese Entscheidung gibt es noch nicht. Doch bereits im April 2016 hatte die amerikanische Kanzlei Kreindler & Kreindler beim District Court in Arizona Klage gegen die Flugschule eingereicht. Die Kanzlei vertritt die Angehörigen von 80 Opfern. Angeblich hat es die Flugschule versäumt, Hinweisen auf die psychischen Probleme des späteren Piloten Lubitz nachzugehen. 2008 hatte dieser sich mit Suizid-Gedanken getragen, seine Ausbildung unterbrochen und war behandelt worden. Im Juli 2009 litt er nach Meinung von Psychiatern nicht mehr unter der Depression und musste keine Antidepressiva mehr nehmen. Nach Ermittlungen der Düsseldorfer Strafverfolger, die Krankenakten auswerteten und Zeugen vernahmen, gab es bis Dezember 2014 keine Hinweise mehr auf psychische Probleme.

Haben die Mitarbeiter der Flugschule in Arizona, denen die frühere Depression bekannt war, dennoch etwas versäumt? Die Kläger sagen: Ja. Man hätte Lubitz angesichts seiner Vorgeschichte vom Flugunterricht in Arizona ausschließen müssen. Die FBI-Ermittlungen zeigen allerdings nur, dass die dortige Flugschule keinen anderen Weg ging als den, den auch die Ausbilder in Deutschland einschlugen. Die Klage in den USA, wo größere Entschädigungszahlungen erreichbar sind, ist noch nicht vom Gericht angenommen worden.

Die Lufthansa-Tochter Germanwings hatte den Angehörigen 50 000 Euro Soforthilfe, 25 000 Euro Schmerzensgeld und, bei nahen Angehörigen, noch einmal 10 000 Euro für "unterstellte Gesundheitsschäden" angeboten. Das Geld ist in fast allen Fällen abgerufen worden. Bei den Angehörigen der Opfer, die in den USA klagen, sind die Versorgungsregelungen noch nicht geklärt. Die Opferanwälte bereiten nach eigenen Angaben jetzt auch Zivilklagen in Deutschland und Spanien vor. In beiden Ländern müssen die Klagen bis zum 24. März gestellt werden, weil danach die Verjährungsfrist greifen würde. Da Germanwings den Sitz in Köln hat, werden die Klagen, falls sie wirklich gestellt werden, beim dortigen Landgericht eingehen.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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