Gericht:Sieben Stunden

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Im Göttinger Transplantationsskandal hält die Oberstaatsanwältin ein langes Plädoyer. Über den Angeklagten sagt sie: "Er selektierte. Er spielte Gott." Am 6. Mai soll das Urteil verkündet werden.

Von Christina Berndt, Göttingen

Der erste Prozess zum Transplantationsskandal ist in seine Schlussphase gegangen. Am Montag hielt Oberstaatsanwältin Hildegard Wolf vor dem Landgericht Göttingen ihr Plädoyer. Seit August 2013 steht der heute 47-jährige Angeklagte Aiman O. nun schon vor Gericht. Dem ehemaligen Leiter der Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Göttingen wird versuchter Totschlag in elf Fällen und vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen vorgeworfen - weil er Spenderlebern nicht nach den dafür vorgesehenen Richtlinien, sondern nach eigenem Gutdünken verwendet habe. Der Angeklagte hat dies stets bestritten.

Sieben Stunden dauerte am Montag das Plädoyer der Oberstaatsanwältin. "Es geht um 14 Todesfälle", rechtfertigte Wolf ihre lange Rede. Diese Menschen hätten ein Recht auf eine ausführliche Schilderung. In den drei Fällen von Körperverletzung soll O. demnach Patienten eine Leber transplantiert haben, bei denen ein so schwerer Eingriff gar nicht nötig gewesen sei. Alle Patienten sind in der Folge verstorben. In den elf Fällen von Totschlag habe O. seinen Patienten vorzeitig eine Spenderleber verschafft, so Wolf. Fünf von ihnen seien akut alkoholkrank gewesen und zum Teil "direkt von der Theke auf dem Tisch" des Chirurgen gelandet, obwohl die Richtlinien sechs Monate Abstinenz vorschreiben. Weil O. die Patientendaten manipuliert habe, hätten elf andere, unbekannte Patienten, länger auf eine Leber warten müssen und seien womöglich gestorben, lautet der Vorwurf. Wolf forderte eine Haftstrafe von acht Jahren und ein lebenslanges Berufsverbot für O., der "akribisch manipuliert" habe. Zum Teil habe er bei einem einzigen Patienten gleich mehrere Manipulationen vorgenommen, damit dieser an anderen Wartenden vorbeiziehe. Seine Motive seien "eine Gemengelage aus Geltungsdrang, Anerkennung, Macht und finanziellen Interessen" gewesen. "Er meinte, er könne eigene Patienten bevorzugen", so Wolf. "Er selektierte. Er spielte Gott." Die Plädoyers der Nebenklage und der Verteidigung folgen noch, bevor am 6. Mai das Urteil verkündet wird.

© SZ vom 28.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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