Im Justizpalast von Paris warteten am Dienstagmorgen Dutzende Journalisten auf einen gewichtigen Bagatelle-Fall. Sie warteten vergeblich. Gérard Depardieu sei aus beruflichen Gründen verhindert, teilte sein Anwalt mit. Er müsse in Montenegro einen Film vorbereiten, in dem er den Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds Dominique Strauss-Kahn spiele. Die Dreharbeiten begännen schon bald in New York.
Die französische Staatsanwaltschaft ließ diese Entschuldigung nicht gelten. Daher wird der abgängige Schauspieler kein abgekürztes Verfahren bekommen. Er hat sich in einigen Monaten in Paris einem Strafprozess zu stellen - und dann womöglich noch mehr Journalisten.
Der Weinliebhaber Depardieu war im November in Paris von seinem Motorroller gestürzt. Außer dem Roller kam niemand zu Schaden. Der Schauspieler musste in eine Ausnüchterungszelle. Der Alkoholtest ergab 1,8 Promille.
Theoretisch muss der Mime, der schon öfter aus der Rolle fiel, mit bis zu zwei Jahren Haft rechnen. Doch Depardieu braucht nicht im Ausland zu bleiben, um dem Gefängnis zu entgehen. Aber was heißt schon Ausland bei einem Mann, der sich als "Weltbürger" bezeichnet und dem das Angebot vorliegen soll, Kulturminister der russischen Republik Mordwinien zu werden.
Zwischen Schauspieler und Steuerzahler unterscheiden
Am Wochenende hat er aus den Händen des Moskauer Präsidiators Wladimir Putin den russischen Pass bekommen. Außerdem bemüht Depardieu sich weiter um die belgische Staatsbürgerschaft. Dabei wolle er keineswegs vor dem französischen Fiskus türmen, versichert er. Im Übrigen werde er auch als Russe Franzose bleiben.
Depardieu, der in Russland als Werbeträger für eine Bank, Küchen und Ketchup auftritt, suggeriert, es gehe ihm nicht um Geld, sondern um Liebe - verschmähte Liebe. Er fühlt sich im sozialistisch regierten Frankreich nicht mehr gemocht. Seine Ex-Frau Elisabeth Depardieu erklärt: "Er ist gegangen, weil es ihm an Aufmerksamkeit und Liebe fehlte." Vertraute Depardieus merken an, er habe sich vom Tod seines Sohnes Guillaume vor einigen Jahren nie erholt. Sie machten sich Sorgen um ihn. Sein Freund, der Schauspieler und Regisseur Denis Podalydès, fürchtet, dass "man ihn mit all dem töten wird".
In Frankreich wird derweil diskutiert, inwieweit die russische Eskapade Depardieu schaden wird. Die einen glauben, sie werde seine Karriere negativ beeinflussen, die anderen versichern, er sei für das Kino unverzichtbar. Das Publikum könne zwischen dem Schauspieler und dem Steuerzahler Depardieu unterscheiden.