Frauenfeld:Auto-Schneewalzer im Schweizer "Eiskreisel"

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Aufgepasst bei Glatteis: Ein Schweizer Lokalreporter muss sich für ein Video von einem Kreisverkehr rechtfertigen. (Foto: Robert Haas)

Ein Lokalreporter filmt in einer eisigen Nacht schlitternde Autos in einem Kreisverkehr. Für den viralen Clip muss er sich jetzt rechtfertigen.

Von Tanja Mokosch

"Sauglatt war es besonders am Talbachkreisel, wo sich zwischen zwei Uhr und dem Morgengrauen schier Unvorstellbares abspielte." So beschreibt das Schweizer Tagblatt den Beginn einer Geschichte, die Lokalreporter Beat R. Kälin zu einiger Bekanntheit verhalf - über die Grenzen seiner Heimat, der 25 000-Einwohner-Stadt Frauenfeld im Kanton Thurgau, hinaus.

Rötödödödö. Krach

Sauglatt! Schier unvorstellbar! In einem Kreisverkehr, dem Talbachkreisel. Reihenweise Autos fahren - oder besser rutschen - in den Kreisel. Es kracht, als der erste den Randstein streift. Es kracht wieder, als der nächste ganz aufsetzt. Zu sehen und hören sind diese Szenen in einem Facebook-Video, das der Sender TeleZüri veröffentlichte. Gefilmt von Beat Kälin. Im Hintergrund dudelt der Schneewalzer. Rötödödödö. Krach.

Wie der Clip entstanden ist, musste der "Eiskreisel-Reporter" in den vergangenen Tagen einigen Lokalmedien erzählen. Das Tagblatt schreibt: Kälin war des Nachts unterwegs. Eine Garage stand in Flammen, er wollte darüber berichten. Auf dem Rückweg nach Frauenfeld - "halb drei war's" - sieht er drei Autos mit eingeschalteten Warnblinkern. Kälin hält an. "Ächt en Unfall?", fragt er sich, zu Deutsch: Vielleicht ein Unfall? Dann stellt er seine Kamera auf und hält auf den Kreisel - auf gut Glück.

Ob Glück oder Lokalreporter-Spürsinn: Das Video wurde inzwischen mehr als 300 000 Mal angesehen - eine unfassbare Zahl für den Sender, der etwa 15 000 Facebook-Follower hat. Neben Begeisterung mischt sich aber auch Kritik in die Kommentare. "Super Kameramann! Schön wiiter filmä angschtatt d Fahrer warnä, Idiot!", schreibt ein Nutzer. "Filmen statt warnen! Vollpfosten!", fasst ein anderer auf Hochdeutsch zusammen. Die Schweizer Ausgabe des Jugendsenders JoizTV parodierte das Geschehen: Ein hämisch lachender Schnauzbart- und Kameraträger gibt bei jedem Crash einen boshaften Kommentar ab.

Reporter Kälin wehrt sich gegen die Vorwürfe. Er habe zuerst die Polizei informiert und dann die Kamera ausgepackt, sagt er TeleZüri. Außerdem sei er nicht der einzige Schaulustige gewesen, schreibt das Tagblatt. Auf einem Balkon hätten es sich Anwohner mit Wolldecken gemütlich gemacht und bei jedem Crash applaudiert. Bis fünf Uhr, etwa zweieinhalb Stunden also, stand Kälin am Kreisel und filmte.

Kreiselsicherheit für "Motofahrzeuglenker"

Die meisten Facebook-Nutzer belohnen Kälins Einsatz in der Kälte und wehren die Kritik ab. Die Autofahrer, so finden die meisten, seien einfach zu schnell in den Kreisel gefahren. Auf Schweizerdeutsch liest sich das zum Beispiel so: "Mer fahrt ja au nöd so wenns so chalt isch deppe!! Apasse kennsch? Alli selber tschuld!" Auf Hochdeutsch ist wohl gemeint: Man fährt ja auch nicht so, wenn es so kalt ist und muss schon anpassen. Alle selbst schuld.

Fun Fact: Die Thurgauer Polizei hatte 2010 ein Flugblatt zum Thema Kreiselsicherheit für "Motofahrzeuglenker" veröffentlicht. Schon damals ernteten die Autofahrer vom Land Spott aus Zürich. "Bei der Annäherung an den Kreisel muss die Geschwindigkeit reduziert und Bremsbereitschaft erstellt werden", heißt es in dem Flyer. Zum Kreiselfahren bei Glätte gibt es leider keine Tipps. In der nächsten Auflage dann vielleicht: Noch langsamer fahren und den Schneewalzer summen. Außer Blechschäden ist den Frauenfelder Autofahreren aber zum Glück auch diesmal offenbar nichts passiert - über Verletzungen wird nicht berichtet.

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