Frankreich: Creutzfeldt-Jakob-Krankheit:1700 Behandelte, 120 Tote

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In den achtziger Jahren wurden Kinder in Frankreich mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit infiziert, nun beginnt der Prozess gegen die Ärzte.

Stefan Ulrich, Paris

Paris - Die einen haben ihren Sohn oder ihre Tochter wegen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit verloren. Die anderen fürchten immer noch um das Leben ihrer Kinder. Viele Angehörige von Opfern eines Medizinskandals sind am Montag in den Pariser Justizpalast gekommen, um beim Beginn eines Prozesses um verseuchte Wachstumshormone dabei zu sein.

Erkrankte und starb an der Creutzfeld-Jakob-Krankheit: Arnaud Eboli. Der junge Franzose wurde nur 19 Jahre alt. (Foto: AP)

Man habe keinen Hass auf die Ärzteschaft, sagt Jeanne Goerrian, die eine Vereinigung von Opferfamilien leitet. Aber sie wolle endlich das Wort "schuldig" hören. "Es hat fabelhafte Mediziner gegeben, die unsere Kinder behandelt haben. Aber andere haben schlimme Fehler begangen." Auch ihr Sohn musste sterben. Noch ist nicht geklärt, ob irgendjemand dafür strafrechtlich verantwortlich ist.

In den achtziger Jahren wurden in Frankreich etwa 1700 Kinder und Jugendliche, die unter Wachstumsstörungen litten, mit einem Hormon behandelt, das aus den Hirnanhangdrüsen von Leichen gewonnen wurde. Die Hormonpräparate waren teilweise mit defekten Eiweißmolekülen verseucht, die die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung - eine tödlich verlaufende Gehirnerkrankung - auslösen. In der Folge sind 120 der damals Behandelten gestorben, der bislang letzte im vergangenen Dezember. Da die Inkubationszeit mehr als 30 Jahre betragen kann, sind viele noch heute in Gefahr.

Nach langen Ermittlungen begann im Jahr 2008 der Prozess in der ersten Instanz. Die Staatsanwaltschaft warf sieben Ärzten und Forschern vor, bei der Verarbeitung des Hormonpräparats geschlampt zu haben. So sollen die Hirnanhangdrüsen unsachgemäß in Leichenhallen und gerichtsmedizinischen Instituten entnommen und dann ohne weitere Sterilisation verarbeitet worden sein.

Auch als andere Staaten wie Großbritannien und die USA bereits die Verwendung von Hirnanhangdrüsen untersagten, wurden die Präparate in Frankreich noch eingesetzt. Das Gericht kam seinerzeit jedoch zu dem Schluss, den Angeklagten könne keine fahrlässige Tötung nachgewiesen werden. Sie hätten damals, in den achtziger Jahren, nicht gewusst, welchem Risiko sie ihre Patienten aussetzten.

"Schwere Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit"

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, unterstützt von vielen Opferfamilien, die als Nebenkläger auftreten. Nachdem einige der möglichen Verantwortlichen bereits gestorben sind, müssen sich nun nur noch zwei Angeklagte verteidigen: der 88 Jahre alte Fernand D., der einst ein Labor des Institut Pasteur leitete, sowie die 61 Jahre alte Elisabeth M., Kinderärztin im Ruhestand. Die Ankläger werfen ihnen "schwere Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit" vor. Sie werden von Olivier Metzner, einem der prominentesten Anwälte Frankreichs, verteidigt.

Im Prozess dürfte auch zur Sprache kommen, warum ausgerechnet in Frankreich so viele Menschen an den verseuchten Präparaten gestorben sind. Jeanne Goerrian von der Opfervereinigung erwartet den Beweis, dass auch bekannte Mediziner nicht über dem Gesetz stehen. Der Freispruch sei für die Angehörigen ein Schock gewesen. "Wenn man die Fülle von Fehlern betrachtet, die diese Mediziner begangen haben, versteht man die Entscheidung nicht."

© SZ vom 05.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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