Frankreich:Aufruhr in Monaco

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Chefin der Immobilien-Dynastie Pastor bei Anschlag schwer verletzt

Von SZ, Nizza

In Monaco sind viele Leute überzeugt davon, dass der schwerreiche Immobilien-Clan Pastor im Fürstentum mindestens so viel Einfluss hat wie die Grimaldis. Jedenfalls sind die beiden Familien sehr gut befreundet. Verständlich daher die Aufregung, als am späten Dienstagabend die Nachricht die Runde machte: Hélène Pastor, 77, Chefin des Imperiums und vermutlich eine der reichsten Frauen der Welt, erlitt bei einem Anschlag in Nizza schwerste Schussverletzungen, ebenso wie ihr Fahrer. Prinz Albert II. äußerte sich umgehend "schockiert" über den Angriff und versprach den beiden Opfern und deren Familien jede erdenkliche Hilfe. Monacos Regierungschef Michel Roger sagte dem Fernsehsender RTL, er sei "erschüttert über dieses abscheuliche Verbrechen". Der Vorfall trägt zweifellos Züge einer Staatsaffäre.

Nach den Erkenntnissen der Ermittler war es "ein echter Hinterhalt", in den Hélene Pastor am Dienstag gegen 19 Uhr geriet, "eine versuchte Hinrichtung". Die 77-Jährige hatte in einer Klinik ihren Sohn Gildo Pallanco Pastor besucht, der Chef des Elektro-Sportwagenbauers Venturi Automobiles ist; laut Nice Matin wird er wegen eines Hirnschlags behandelt. Als Hélène Pastors Wagen vom Parkplatz rollte, näherte sich ein Angreifer, der sich hinter einer Mauer versteckt gehalten hatte, von der Beifahrerseite her. Er schoss mit einer Pistole durch die geschlossene Scheibe auf die beiden Insassen, besah sich in aller Seelenruhe sein Werk, feuerte dann mit einer großen Waffe noch einmal ins Wageninnere. Das jedenfalls erzählte eine Krankenschwester, die zufällig Zeugin der Tat geworden war, der Polizei. Auch auf Überwachungskameras ist der Mann zu erkennen. Die Ermittler wollten am Mittwoch nicht ausschließen, dass der Anschlag dem Fahrer galt, der laut Le Monde "polizeilich bekannt" ist. Ein plausibles Motiv wurde allerdings nicht bekannt.

Das Familienvermögen der Pastors ist ein sorgsam gehütetes Geheimnis, aber Insider gehen davon aus, dass ihnen ein Drittel aller Immobilien im Fürstentum gehört. Und in dem nur zwei Quadratkilometer großen Monaco ist jeder einzelne Quadratmeter ein Vermögen wert. Über drei Generationen hinweg hat die Familie ein sagenhaftes Vermögen angehäuft. Hélénes Großvater Jean Baptiste Pastor, ein ligurischer Steinhauer, begründete in den Dreißigerjahren das Imperium; er erhielt unter anderem den Auftrag zum Bau des ersten Stadions Louis II. Sein Sohn Gildo erwarb nach dem Krieg in großem Umfang Grundstücke am Meer zu, aus heutiger Sicht, Spottpreisen. Sein bekanntestes Werk ist wohl die Avenue Princesse Grace. Bei der Genehmigung war ihm Fürst Rainier überaus behilflich. Die Mieteinnahmen aus diesen Projekten bilden bis heute den Grundstock des Reichtums, über den die Pastors verfügen.

Nach dem Tod von Gildo Pastor im Jahr 1990 trat Hélène das Erbe gemeinsam mit den Brüdern Victor und Michel an. Beide sind inzwischen tot. Michel Pastor, der im Februar dieses Jahres starb, war von 2004 bis 2008 Präsident des Fußballklubs AS Monaco. Er ist auch bekannt als Schwiegervater des französischen Sängers Johnny Hallyday.

Hélène Pastor, geschieden und Mutter zweier Kinder, gilt als diskrete Geschäftsfrau. Sie lässt sich kaum bei öffentlichen Anlässen blicken. Am Mittwoch hieß es, sie schwebe, anders als ihr Fahrer, nicht mehr in Lebensgefahr.

© SZ vom 08.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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