Flugzeugkatastrophe in Madrid:Fragen nach dem Inferno

Lesezeit: 2 min

Nach dem Albtraum von Madrid wird nach Erklärungen für den Flugzeugabsturz gesucht. Zwar ist Fliegen heute sicherer als je zuvor. Trotzdem kann nach wie vor jeder Fehler eine Katastrophe bedeuten.

Jens Flottau

Wenn der Albtraum wahr wird, sucht der Mensch nach Erklärungen. So schnell wie möglich muss ein Schuldiger her, eine Ursache gefunden werden für die Katastrophe, damit das Entsetzen jenem Aktionismus weichen kann, der das Unfassbare für die Zukunft zu verhindern versucht.

Derzeit alles unklar: Eine Maschine des Lufthansa-Partners Spanair (Foto: Foto: Reuters)

Stürzt ein Flugzeug ab, wie jetzt die Maschine des Lufthansa-Partners Spanair in Madrid, haben Beobachter meist schnell eine Erklärung zur Hand: Die Fluggesellschaft muss an Wartung und Sicherheit gespart haben. Bei notorisch klammen Ferienfliegern könne das ja gar nicht anders sein.

Die Sehnsucht nach einfachen Antworten ist verständlich. Doch oft wird sie nicht gestillt. Meistens erweisen sich bei Flugzeugabstürzen die ersten Annahmen als falsch. Die wirklichen Ursachen finden die Unfalluntersucher oft erst nach jahrelanger Detailarbeit heraus - und manchmal müssen die Angehörigen der Opfer damit leben, dass sie den Grund eines Absturzes nie erfahren. Auch im Falle Spanair ist derzeit alles unklar. Eine Reparatur vor dem Start, wie in Madrid geschehen, ist nichts Ungewöhnliches.

Wer jetzt ins Flugzeug steigt, die Bilder der verkohlten Maschine noch im Kopf, sollte sich bewusst machen: Das Flugzeug ist heute neben der Bahn das sicherste Verkehrsmittel überhaupt. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Unfallrate halbiert. Dennoch wird es trotz aller Fortschritte bei Technik und Training immer wieder Abstürze geben, weil Menschen Fehler machen und Technik versagen kann.

Traditionsreiche Fluggesellschaften trifft dies genauso wie Billig-Airlines. Auch die berühmte British Airways und die Air France hatten vor nicht langer Zeit schwere Unfälle, bei denen die Passagiere nur mit viel Glück unverletzt blieben. Zuletzt musste eine Maschine der Vorzeige-Gesellschaft Qantas notlanden.

Die Unternehmen dürfen sich aber auch nicht auf dem Erreichten ausruhen. Es kommt vor allem darauf an, dass die Fluggesellschaften nie in dem Bemühen nachlassen, größtmögliche Sicherheit zu garantieren. Probleme können entstehen, wenn es das Management hier bei Lippenbekenntnissen belässt, Mitarbeiter und Organisation aber unter zu großen Leistungsdruck setzt.

Sparprogramme verunsichern und belasten die Beschäftigten, was tatsächlich auch Auswirkungen auf die Sicherheit haben kann. Allerdings verlieren Fluggesellschaften ihre Existenzberechtigung, wenn sie keinen sicheren Betrieb gewährleisten. Jeder Manager der Branche weiß das.

Immer sichereres Fliegen ist derzeit jedoch noch ein Privileg Europas und Nordamerikas. In Afrika, wo es an Geld, Infrastruktur, Training und Aufsicht fehlt, ist das Risiko im Flugverkehr statistisch sechsmal größer als hierzulande. Indonesien hat ebenfalls eine haarsträubende Reihe von Abstürzen hinter sich, die auf strukturelle Probleme hindeuten. Trotzdem müssen auch die europäischen Airlines mit viel Einsatz und Geld die Sicherheit jeden Tag neu erarbeiten.

© SZ vom 22.08.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: