Fernsehtierchen:Der will doch nur spielen!

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In einer früheren Kindertagsstätte trainiert Gerhard Harsch Affen, Löwen, Schlangen und Tauben fürs Fernsehen.

TITUS ARNU

Das Fernsehen ist nicht arm an bizarren Geschichten. Aber was die Berliner Produktionsfirma X-Filme derzeit für Sat 1 vorbereitet, klingt doch vergleichsweise abenteuerlich.

Nebendarsteller oder Hauptrolle? Kommissar Rex. (Foto: Foto: ddp)

Im TV-Film Die Hexen vom Prenzlauer Berg (Ausstrahlung an Ostern) spielt Christiane Paul eine junge HiP, eine Hexe im Praktikum. Sie lebt in Berlin und studiert bei ihrer dämonischen Lehrmeisterin Miranda Tebbaldi (Katja Riemann).

Reinhard Mey tritt in einer Gastrolle als Magier auf. Als sei das nicht versponnen genug, soll nach der Vorstellung des Regisseurs Diethard Küster eine Riesenspinne vor der Kamera ein riesiges Netz spinnen.

Wie macht man das, ohne tatsächlich hexen zu können? Man ruft bei Gerhard Harsch an. Der Mann bringt Spinnen zum Spinnen, lässt Otter kameragerecht posieren und Affen Verbrecher jagen. Harsch ist einer der gefragtesten und erfolgreichsten Tiertrainer Deutschlands.

Schweine, Otter, Störche, Fliegen

In mehr als 400 Produktionen für Kino und Fernsehen, für Werbespots und Musikvideos waren seine tierischen Helden schon im Einsatz.

Er arbeitet mit Schweinen, Schlangen, Schildkröten, er hat Störche, Otter und Fliegen für den Auftritt vor der Kamera trainiert - in der Filmtierschule Harsch, der Akademie für tierische Darsteller in Deutschland.

In einem kleinen Wäldchen bei Neustadt an der Dosse in Brandenburg leben Gerhard und Astrid Harsch zusammen mit vierzig Viechern: Tiger, Panther, Löwen, Paviane, Wolfshunde, Waschbären, Raben, Otter, Schweine, Schlangen, Vogelspinnen, Leguane und Hunde, darunter auch Privat-Tiere, die nicht beim Fernsehen arbeiten. Zum Beispiel der Schoßhund Conan.

Er gehört der Rasse Italienisches Windspiel an, der kleinsten und wahrscheinlich jämmerlichsten Windhundart der Welt. Von hinten drängt sich ein Irischer Wolfshund heran, ein Tier so groß wie ein Kalb, immer auf der Suche nach Liebe und Aufmerksamkeit. Die bekommt er auch, weil er alles anrempelt und abschleckt.

Es riecht etwas streng in der ehemaligen Kindertagesstätte, die jetzt die Heimat von Film- und Fernsehtieren ist. Die Affen toben wie irre in ihrem Käfig. Draußen rumoren die Löwen. Irgendwo kreischt ein Papagei. Gerhard Harsch trägt schwarze Lederweste, Khakihemd, Lederband mit goldener Löwenfigur um den Hals.

Der kleine Privatzoo

Der 44-jährige Tiertrainer ist stolz auf seinen kleinen privaten Tierpark. Auf dem Regal neben dem großen Esstisch stehen Glasleoparden, geschnitzte Panther, auf dem Boden in der Ecke ein großer Porzellanlöwe.

Selbst die Kaffeetassen ziert ein Tiger- oder Leopardenmuster. In einem Fotoalbum, das er Besuchern gerne zeigt, kleben Bilder von Prominenten, die mit Harschs Tieren posieren.

Der Tiertrainer erinnert sich oft nicht mehr an die Namen der Filme und der Stars. Umso mehr lobt er seine Lieblinge. Beim Rundgang durch die Filmtierschule freuen sich besonders die Raubkatzen über den Besuch des Chefs. Tiger Dschandra kommt zur Begrüßung ans Gitter des Käfigs und lässt sich das weiße Bauchfell kraulen.

Die drei Meter lange Riesenkatze spielte in Asterix & Obelix gegen Cäsar mit und war jahrelang der Hauptdarsteller des "Megakino"-Trailers auf ProSieben. Nebenan wird die Pantherdame Ronja eifersüchtig und trippelt aufgeregt am Gitter hin und her. Ronja ist der Superstar der Filmtierschule.

Stunthund. (Foto: Foto: ddp)

Die schwarze Schönheit ist ein beliebtes Motiv für Fotografen, sie ist besonders für Mode-, Schmuck- und Kosmetik-Werbung gefragt. Als einziger deutscher Filmtiertrainer hat Gerhard Harsch Raubkatzen im Programm.

Warum überhaupt die ganze Mühe mit den echten Tieren? Warum nicht einfach eine schicke Riesenspinne oder einen Tiger am Computer generieren? Ganz einfach: Die Tiere aus Fleisch und Blut sind billiger und schneller verfügbar. Die Zeit beim Drehen ist knapp, auch für Tierszenen.

Und alles bitte beim ersten Versuch

Deshalb sind intelligente Darsteller wie der Border-Collie Dundee gefragt. Die Vierbeiner dürfen den Betrieb nicht aufhalten, sie müssen ihre Rolle möglichst ohne Aussetzer spielen.

Dundee ist der Begabteste der Tierfilmschule. Er trat mit Dietmar Schönherr in Mein Vater, mein Sohn auf, spielte Hauptrollen in Die Wache oder Soko Leipzig.

Mit einer Spinne fing alles an. Früher führten die Harschs in der Nähe von München ein Fachgeschäft für Reptilien. Eines Tages meldete sich eine Produktionsfirma, die für Dieter Bohlen ein Musikvideo drehte, in dem eine Vogelspinne eine zentrale Rolle spielte.

Harsch lieferte eine ebenso prachtvolle wie ungefährliche Spinne, aber keiner der 200 Statisten war bei den Dreharbeiten bereit, das Vieh über sich ergehen zu lassen. Also sprang Gerhard Harsch auch noch als Darsteller in dem Modern Talking-Clip ein.

Harsch würde nie von sich sagen, dass er Tiere dressiert. Er spielt mit ihnen, um ihnen bestimmte Bewegungsabläufe beizubringen. Das Programm ist immer ähnlich, egal ob Otter, Spinne oder Pavian. Mit Schmankerln und Zuwendung bringt der Trainer die Tiere dazu, etwas zu tun, was ein Regisseur oder ein Fotograf sich ausdenkt. "60 Prozent der Drehbücher lehne ich ab oder lasse sie überarbeiten", sagt Harsch.

Keine Bären, keine Nashörner, keine Menschenaffen

"Einen Hund durch einen brennenden Raum laufen lassen, das würde ich nie tun." Affen mit umgebundenen Windeln wolle er im Fernsehen "eigentlich nicht mehr sehen", sagt Gerhard Harsch. Er findet: "Man sollte Tiere so darstellen, wie sie sind".

Harsch verzichtet auf Elefanten, Nashörner, Wölfe, Bären und Menschenaffen, weil die Tiere nicht artgerecht zu halten sind. Und was ist mit den Löwen und Tigern in den relativ kleinen Käfigen der Tierfilmschule?

"Raubkatzen sind von Natur aus extrem faul", sagt Gerhard Harsch, "viele Tiere kommen auch mit wenig Platz aus, wenn man sie regelmäßig beschäftigt."Zum Beispiel mit Sachensuchen. Harsch geht mit einem ausgeleierten Geldbeutel in den Affenkäfig. In dem Portemonnaie stecken einige Scheine und ein paar Krümel mit Leckereien für die Paviane. Harsch lässt sich den Geldbeutel aus der Jacke klauen.

Die Affen, von Natur aus Langfinger, machen das ganz geschickt. Sie ziehen die Scheine heraus, drehen das Futter um und durchsuchen auch noch den letzten Winkel nach Futterkrümeln. Im Film würde diese Szene so aussehen, als seien die Affen perfekte Taschendiebe.

© SZ vom 21.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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