Ex-Torhüter angeklagt:Am seidenen Faden

Lesezeit: 3 min

Fall einer Legende: Eike Immel war einmal Nationaltorwart - nun wird er wegen Kokain-Kaufs angeklagt. Was ist passiert mit dem früheren Torhüter?

Holger Gertz

Jeder große Fußballer hat dieses eine Spiel gespielt, das anders war als alle anderen und in dem er zum sogenannten Helden wachsen konnte. Bei Eike Immel, dem Torwart, war sein allererstes Spiel in der Bundesliga gleich sein größtes. Dortmund gegen Bayern 1978, Immel sprang durch den Strafraum, er flog, er hielt jeden Bayernschuss.

Muss möglicherweise bald vor Gericht erscheinen: Ex-Torwart Eike Immel (Foto: Foto: Images)

Dortmund gewann 1:0, und obwohl das damals eine Zeit war, in der der Fußball fernsehmäßig noch nicht so dramaturgisch perfekt ausgeleuchtet wurde wie heute, erinnern sich die älteren Dortmunder Fans noch immer ziemlich genau an den großen Tag von Eike Immel. Er war 17 damals, er sah so aus, als wäre er grad aus dem Bett gefallen, mit seiner Wuschelfrisur und dem verschlafenen Blick. Und er hatte einen Namen, mit dem die Überschriftenschnitzer bei den Boulevardzeitungen wunderbar spielen konnten: "Eike Immel im Fußballhimmel" schrieb damals die Bild. So fing alles an.

So ging es aber nicht weiter. Gerade kommt die Meldung, Eike Immel werde möglicherweise bald vor Gericht erscheinen müssen, er soll sich 2007 von einem Dealer Kokain gekauft haben, für den Eigenbedarf, Gesamtwert rund 10.000 Euro. Es gibt in der Geschichte des Drogenmissbrauchs schlimmere Verbrechen, aber für jemanden wie Eike Immel wiegt die Sache trotzdem schwer. Er sucht einen Weg, seitdem er kein Fußballer mehr ist, die Öffentlichkeit hat dieses Suchen immer recht aufmerksam begleitet, und nun kann sie registrieren: Er hat den Weg nicht so richtig gefunden.

Typ: Ersatzmann

Was ist passiert mit Eike Immel? Er ist nicht der bestimmende Torwart der Achtziger geworden, der er hätte sein können, wenn es zu der Zeit in der Nationalmannschaft nicht Toni Schumacher und Uli Stein gegeben hätte. Damals waren Torwarte grundsätzlich etwas abgedriftete Figuren. Schumacher warf sich seinen Gegnern manchmal derart verwegen entgegen, dass beim Aufprall Zähne flogen. Stein nannte den damaligen Teamchef Beckenbauer einen "Suppenkasper"; rückblickend betrachtet eine interessante, aber kaum haltbare Bezeichnung für einen Mann, der als Lichtgestalt in die Geschichte eingegangen ist. Immel war ruhiger als die anderen, braver, er blieb Ersatzmann, und als die deutschen 1990 Weltmeister wurden, stand längst ein anderer, jüngerer Keeper im Tor.

In der Bundesliga machte Immel 534 Spiele für Borussia Dortmund und den VfB Stuttgart, bei denen er so gut verdiente, dass er - wie viele Fußballer dieser Zeit - nicht richtig wusste, wohin mit dem ganzen Geld. Ein wenig davon ist wohl beim Glücksspiel draufgegangen, etwas mehr bei Immobiliengeschäften. Er hat selbst erzählt, dass er außerdem größere Mengen verliehen hat, an Freunde, die in Wirklichkeit keine waren.

Wenn man eine Art Held ist, muss man einen Blick dafür entwickeln, was die ganzen Berater und Claqueure von einem wollen, die plötzlich immer da sind - das ist die Prüfung, die man bestehen muss als halbwegs prominenter Mensch. Eike Immel hat sie nicht bestanden, jedenfalls war das Geld irgendwann aufgebraucht. Immel war pleite, es gab ein Gerichtsverfahren, in dem ausgelotet wurde, wann ein Betrogener zum Betrüger wird. Außerdem hatte seine Hüfte sich verschlissen in den zahlreichen Fußballspielen. Ein alter Torwart kann immer noch ein guter Torwarttrainer sein - aber welcher Verein stellt einen ein, dessen Image beschädigt ist und dem das Gehalt zu einem guten Teil gleich wieder weggepfändet wird?

Gemischte Gefühle im Dschungelcamp

Diejenigen, die Immel noch als Torwart kannten, konnten ihn vor einem Jahr im Dschungelcamp erleben. Es war eine Begegnung, die gemischte Gefühle auslöste. Einerseits schlägt es einem echten Fan ehrlich auf den Magen, wenn er beobachten muss, wie ein Kindheitsstar gegen bescheidene Gage Insekten in größeren Mengen zu sich nimmt. Es ist, als sehe man auf einer schlecht ausgeleuchteten Bühne in einem Möbelhaus einen Sänger, der vor dreißig Jahren als Bravo-Poster im eigenen Kinderzimmer gehangen hat. Andererseits hat Immel im Dschungelcamp die schlechteste Figur nicht gemacht, er war ein bisschen wie Ingrid van Bergen in der vergangenen Staffel.

Ein vom Leben gezwirbelter Tröster, ein guter Zuhörer, ein Typ mit einem entspannt kritischen Blick auf sich selbst - der einzige Erwachsene unter lauter infantilen Schreihälsen. Dass er danach ein albernes Lied mit Bata Illic aufgenommen hat und in Seniorenunterhaltungssendungen wie "Immer wieder sonntags" auftrat, minderte diesen Eindruck ein wenig. Wer ihn singen hörte, wünschte sich, er sänge nicht. Aber was macht einer nicht alles, der dringend Geld braucht.

Eike Immel, der alte Fußballtorwart, ist jetzt 48. Man kann nicht sagen, dass es immer schön aufwärtsgegangen wäre mit ihm. Wie soll das auch möglich sein, wenn alles anfängt mit dem allergrößten Spiel.

© SZ vom 25.04.2009/dmo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: