Erdbeben in Südasien:Verzweifelte Hilferufe

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Durch das Erdbeben in Südasien ist nach UN-Angaben das Gesundheitswesen in der Katastrophenregion zusammengebrochen. Etwa tausend Krankenhäuser und Gesundheitsstationen sind in Pakistan und Indien zerstört worden.

Manuela Kessler und Annette Ramelsberger

Das teilte das UN-Büro zur Koordination der humanitären Hilfe am Dienstag in Genf mit. Dies sei "eine Katastrophe in der Katastrophe", sagte Damien Personnaz vom UN-Kinderhilfswerk Unicef. Bei dem Erdbeben am Samstag sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch viele Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger und Laborkräfte getötet worden. Daher sei es kaum möglich, die Zehntausenden Verletzten zu behandeln.

Warten nach dem Beben auf Hilfe: Obdachlose in Pakistan. (Foto: Foto: dpa)

Inzwischen gibt es kaum noch Hoffnung, Überlebende zu finden. Fast nur noch Leichen wurden aus den Ruinen geborgen, im fortgeschrittenen Zustand der Verwesung, wie pakistanische Reporter berichteten.

Die Regierung in Islamabad befürchtete, dass die Zahl der Opfer auf 40000 steigen könnte. Hunderttausende Überlebende kampierten auf den wenigen schuttfreien Flächen, die sie zwischen den stinkenden Trümmerbergen fanden und tranken Wasser aus den verseuchten Flüssen. Es wurde der Ausbruch von Seuchen befürchtet.

Die internationale Hilfe rollte am Dienstag in den am schlimmsten verwüsteten Städten in Pakistan, Muzaffarabad und Balakot, langsam an. Am Vortag waren die Zufahrtsstraßen geräumt worden. Unzählige Berggemeinden, die in den Tälern hinter den beiden Städten liegen, blieben aber von jeder Hilfe abgeschnitten.

THW-Experten beginnen Einsatz

In Muzaffarabad sind auch 15 deutsche Spezialisten des Technischen Hilfswerks (THW) angekommen. Sie haben ihre akustischen Ortungsgeräte vor einer Schule aufgebaut, in der sich zum Zeitpunkt des Bebens 1500 Kinder aufhielten. 30 Schüler konnten sich aus dem zusammenbrechenden Gebäude retten, 300 Tote wurden bisher gefunden.

Die deutschen THW-Leute versuchen, ob sie nicht doch noch ein Lebenszeichen eines der 1200 vermissten Kinder orten können. "Es sieht nicht so aus, als wenn da noch Leben wäre", sagte THW-Helfer Peter Görgen der Süddeutschen Zeitung am Dienstagnachmittag telefonisch.

"72 Stunden nach einem Beben schwinden die Überlebenschancen rapide. Jetzt sind gerade die letzten Stunden, wo wir noch Hoffnung haben." Die 150000-Einwohner-Stadt sei völlig zerstört, sagte Görgen. "80 Prozent der Häuser sind dem Erdboden gleich, die übrigen sind nicht mehr sanierungsfähig."

Die pakistanischen Streitkräfte konzentrierten sich auf die Rettung der Schwerverletzten. Insgesamt wurden 3000 Menschen mit Helikoptern aus dem Krisengebiet nach Islamabad gebracht.

Schwere Unwetter machten aber am Dienstag jegliche Flüge unmöglich. Auch eine Luftbrücke, die das UN-Welternährungsprogramm zwischen Brindisi in Italien und Peshawar in Pakistan aufbaute, musste wieder beendet werden.

Zögerliche Reaktion

Die pakistanische Regierung nahm das Hilfsangebot aus Indien nur zögerlich an. Das Außenministerium in Islamabad schloss aus, dass indisches Militär in den abgeschnittenen Bergdörfern an der Waffenstillstandslinie im pakistanischen Teil von Kaschmir helfe.

Die Orte wären vom indischen Teil Kaschmirs aus zu erreichen. Auch die indische Offerte, Helikopter zur Verfügung zu stellen, wurde abgelehnt. Angenommen wurden lediglich Hilfsgüter. Die Regierung in Delhi reagierte umgehend: Eine erste 25 Tonnen schwere Lieferung von Zelten, Decken, Lebensmitteln und Medikamenten traf am Dienstag in Pakistan ein.

Indiens Premier Manmohan Singh bemühte sich im von Delhi beanspruchten Teil von Kaschmir, den wachsenden Unmut über die unzureichende Hilfe zu besänftigen. Die kaschmirischen Separatisten reagierten nach Einschätzung ausländischer Beobachter weit schneller und effektiver als das indische Militär auf die Not in der Region, wo das Erdbeben mehr als 1000 Menschen tötete und Zehntausende obdachlos machte.

Singh wurde bei einem Besuch im Krisengebiet von wütenden Demonstranten empfangen. Er versprach, die staatliche Hilfe zu verstärken und 93 Millionen Euro für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen.

© SZ vom 12.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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