Erdbeben in Chile:Verwüstete Küsten

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Die Behörden erklären Teile des Landes zum Katastrophengebiet, acht Menschen sterben, als die Erde nur 11 Kilometer unter der Oberfläche bebt.

Es gibt wenige Dinge, an die Chilenen so gewöhnt sind wie an die unzähmbare Gewalt der Natur. Am Mittwochabend schlug sie wieder zu: Um 19.54 Uhr Ortszeit, als viele auf dem Heimweg von der Arbeit waren, bebte die Erde mit einer Intensität, die das Land seit der Katastrophe von 2010 nicht mehr erlebt hatte. Damals starben 520 Menschen. Verglichen mit jener Zahl ging es am Mittwoch noch glimpflich aus - offiziellen Angaben zufolge starben acht Menschen, vier davon durch einen Herzinfarkt. Doch eine Tsunamiwelle, die sich auf bis zu vier Meter türmte, sorgte in vielen Küstenorten für Verwüstungen und gravierende Sachschäden. Präsidentin Michelle Bachelet erklärte die am stärksten getroffenen Regionen zum Katastrophengebiet.

Das nationale seismologische Institut erklärte, das Epizentrum habe etwa 200 Kilometer nördlich von der Hauptstadt Santiago gelegen - und lediglich elf Kilometer unter der Erdoberfläche. Um so heftiger wurden die Erdstöße von den Chilenen wahrgenommen, bei einer Intensität, die nach Angaben der Behörden bei 8,4 auf der Richterskala lag. Die Erschütterungen seien "von Arica bis Puerto Aysén zu spüren gewesen", sagte Innenminister Jorge Burgos. Das ist eine Strecke von mehr als 3000 Kilometern. Auch in Chiles Nachbarland Argentinien sowie in Brasilien wackelte die Erde. In Buenos Aires, das von Santiago zwei Flugstunden entfernt liegt, wurden Medienberichten zufolge sogar Bürogebäude geräumt. Mehr als 70 Nachbeben von mehr als 5,0 bereiteten vielen Chilenen eine schlaflose Nacht.

Für Chile war es das sechststärkste Beben der Geschichte. Zum Vergleich: bei der Katastrophe von 2010, die ihr Zentrum in Concepción im Süden des mehr als 4000 Kilometer langen Landes hatte, wurde eine Stärke von 8,8 gemessen. Als schlimmstes Beben der jüngeren Geschichte gilt die Tragödie, die sich 1960 im südchilenischen Valdivia ereignete. Damals wurde ein Wert von 9,5 mehr festgelegt als gemessen: Die Messgeräte waren durch die Stärke des Bebens zerstört worden. Mehr als 5000 Menschen fanden den Tod.

Seither gilt Chile als eines der Länder, das nach Einschätzung eines Geowissenschaftlers am Besten auf Erdbeben vorbereitet ist - und daher auf vergleichsweise niedrige Opferzahlen verweisen kann. "Damals begann Chile, ein sehr rigoroses System an Bauvorschriften zu entwickeln", sagte Professor Onno Oncken vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) der Nachrichtenagentur DPA. Sie werden auch im Lichte neuer Erkenntnisse über die nie abreißenden Erschütterungen regelmäßig aktualisiert. 2010 kamen die meisten Toten nicht durch einstürzende Häuser um, sondern wegen einer Tsunamiwelle, vor der die Behörden - anders als am Mittwoch - nicht schnell genug warnten.

Diesmal zitterte die Erde unmittelbar vor dem chilenischen Nationalfeiertag, er wird am Freitag begangen. Vielerorts wurden die traditionell alkoholschwangeren Feiern abgesagt, die Regierung sagte ihre Festivitäten ab.

Im Ausland tätige chilenische Spitzensportler schickten über soziale Netzwerke solidarische Grüße in die Heimat, unter ihnen die Fußball-Profis Arturo Vidal (FC Bayern München) und Marcelo Díaz (Hamburger SV). "Fuerza Chile", twitterte Vidal, Díaz schrieb: "Die Natur hat uns wieder auf die Probe gestellt, doch wir werden das überwinden. Wie immer."

© SZ vom 18.09.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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