Entführungsfall Natascha Kampusch:Freispruch für Priklopil-Vertrauten

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Er fuhr nach der Flucht von Natascha Kampusch stundenlang mit deren Entführer Wolfgang Priklopil durch Wien - und erzählte der Polizei erst Jahre später davon. Nun ist Ernst H. vom Vorwurf der Begünstigung freigesprochen worden.

Der beste Freund des Entführers von Natascha Kampusch ist von dem Vorwurf freigesprochen worden, dem Täter auf der Flucht vor der Polizei geholfen zu haben. Ernst H. musste sich vor einem Gericht in Wien verantworten, weil er am Tag von Kampuschs Flucht mit deren Peiniger Wolfgang Priklopil mehrere Stunden gemeinsam Auto gefahren war.

Der einzige Vertraute des Entführers von Natascha Kampusch ist in Wien des Vorwurfs der Begünstigung freigesprochen worden - er war mit diesem nach Kampuschs Flucht stundenlang im Auto durch die Stadt gefahren. (Foto: Archivbild: dpa)

Allerdings sah es die Richterin Minou Aigner laut einem Bericht der österreichischen Nachrichtenagentur APA nicht als erwiesen an, dass H. seinen Freund durch die Autofahrt vor dem Zugriff der Polizei bewahren wollte. Diesen Vorwurf hatte die Staatsanwaltschaft erhoben.

Priklopil habe offenbar nicht vorgehabt zu fliehen, sondern noch eine Aussprache gesucht, urteilte die Richterin.

Priklopil hatte am 23. August 2006 seinen Freund verständigt, nachdem Natascha Kampusch nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft geflohen war. Gemeinsam fuhren die beiden Männer in dem Auto von H. mehrere Stunden durch Wien. Dabei soll der Entführer den Angaben zufolge gegenüber seinem Freund eine Art "Lebensbeichte" abgelegt haben. Am Abend beging Priklopil Selbstmord. Er warf sich vor einen Zug der Wiener Nordbahn. Ernst H. rückte erst nach Jahren mit der gemeinsamen Autofahrt heraus.

Kampusch war 1998 als Zehnjährige auf dem Schulweg entführt worden. Nach achteinhalb Jahren Gefangenschaft in einem Keller konnte sie am 23. August 2006 aus dem Haus ihres Peinigers fliehen.

Ernst H. war selbst lange Zeit im Verdacht, nicht nur Mitwisser, sondern auch Mittäter des Entführers gewesen zu sein. Gerüchte über weitere Täter oder Mitwisser reißen bis heute nicht ab. Eine Zeugin etwa berichtet bis heute beharrlich von zwei Männern, die Natascha in einem weißen Kastenwagen entführt hätten. Auch eine Kommission unter Leitung eines früheren Verfassungsgerichtshofspräsidenten äußerte ernsthafte Zweifel an der Einzeltäterversion.

Überschattet wurde der Prozess von der Erkenntnis, dass diverse Fahndungspannen eine Befreiung des Mädchens verhinderten. Die Versäumnisse wurden nach Kampuschs Flucht vom Wiener Innenministerium unter Leitung der christsozialen Liese Prokopaus vertuscht - ein Polizeiskandal sollte 2006 kurz vor den Nationalratswahlen um jeden Preis vermieden werden.

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