Eluana Englaro:Eine Tote zwischen den Fronten

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Der Fall Englaro entzweit Italien: Ministerpräsident Berlusconi gibt nun Staatspräsident Napolitano Mitschuld am Tod der Komapatientin.

Einen Tag nach dem Tod der Komapatientin Eluana Englaro geht es in der italienischen Politik hoch her: Ministerpräsident Silvio Berlusconi gibt Staatspräsident Giorgio Napolitano eine Mitschuld am Sterben der 38-Jährigen.

Sterbehilfe-Gegner haben vor der Klinik in Udine ein Bild der Komapatientin Eluana Englaro aufgestellt. Vor der Klinik wäre es fast zu Schlägereien gekommen. (Foto: Foto: AFP)

Der rechtsgerichtete Senator Gaetano Quagliarello rief empört in Richtung Opposition: "Eluana ist nicht gestorben, sie wurde getötet."

Der Grund für die Aufregung: Die italienische Regierung hatte in letzter Minute versucht, die Sterbehilfe mit Hilfe eines "Gesetzes Eluana" zu stoppen. Der Erlass sollte die Ärzte der 38-Jährigen zu lebenserhaltenden Maßnahmen verpflichten. Das Staatsoberhaupt indes habe die Unterschrift unter einen Erlass verweigert, warf der konservative Regierungschef dem linken Präsidenten vor.

Nach der Weigerung Napolitanos wollte Berlusconi die Mediziner später mit einem Eilgesetz zur Wiederaufnahme lebenserhaltender Maßnahmen zwingen. Dem kam jedoch der Tod Englaros zuvor. "Eluana starb keines natürlichen Todes, sie wurde getötet", sagte Berlusconi der Zeitung Libero.

Eluana Englaro war am Montag gestorben, nachdem die Ärzte am Freitag die künstliche Ernährung eingestellt hatten. Sie war nach einem Unfall vor 17 Jahren ins Koma gefallen. Englaros Vater hatte in einem zehn Jahre währenden Kampf vor Gericht durchgesetzt, dass die künstliche Ernährung seiner Tochter gestoppt wurde.

"Napolitano beging einen schweren Fehler", zitierte eine andere Zeitung den Regierungschef. Allgemein war davon ausgegangen worden, dass die Frau mehrere Wochen weiterleben würde.

Beppino Englaro hatte zuvor gesagt, seine Tochter habe stets erklärt, in einem solchen Zustand doch lieber sterben zu wollen. Eine gesetzlich abgesicherte Patientenverfügung ist in Italien seit langem ein heißes Thema für Debatten, doch bisher gelang es den Politikern nicht, Nägel mit Köpfen zu machen.

Augeheizte Stimmung vor der Sterbeklinik

Der Fall Englaro hat in Italien eine kontroverse Debatte über das Recht auf Sterben ausgelöst. Für Berlusconi und seine Anhänger kommt der Tod der jungen Frau der verbotenen Euthanasie gleich.

Vor der Klinik in Udine, in der Englaro am Montagabend starb, harrten Gläubige die Nacht über aus und beteten für die Patientin - allerdings nicht immer friedlich: Die Polizei musste nächtens eingreifen, um Schlägereien zu verhindern. "Mörder" und "Verbrecher", schrien aufgebrachte Katholiken, und meinten die Ärzte und vor allem Eluanas Vater Beppino.

Das Foto der jungen Frau mit dem einnehmenden Lachen und den schwarzen langen Haaren zierte die Titelseiten aller Tageszeitungen. Der Tod der Komapatientin nur Tage nach der Einleitung der Sterbehilfe-Prozedur bewegt ganz Italien. Und spaltet das Land mehr denn je.

Die linke Tageszeitung L'Unita erschien am Dienstag mit einer eingeschwärzten Titelseite und der Schlagzeile "Ruhe in Frieden". Konservative und gemäßigte Linke warfen einander vor, Kapital aus dem langen Leiden Englaros ziehen zu wollen. Vertreter der Opposition argwöhnen, dass die katholische Kirche Berlusconis Haltung beeinflusst habe.

© dpa/Reuters/hai/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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