Eisenbahn-Raub:Total neben der Spur

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Nicht besonders professionell: Drei Anläufe brauchten die Diebe, um das Märklin-Museum auszurauben und dann konnten sie die Beute nicht mal verkaufen - nun müssen sie sich vor Gericht verantworten.

Bernd Dörries

Ratko P. interessiert sich nicht für Eisenbahnen. Er hatte den Namen Märklin bis zu jenen Tagen noch nie gehört. Er kannte nicht den Prototyp der CCS 700 und die Storchenbein, mit der alles begann. Er warf sie einfach in einen Sack. Dann packte er die Geschichte der Firma Märklin in einen Kofferraum.

In Sicherheit: Polizeihauptkommissar Rudi Bauer zeigt eines der gestohlenen Exemplare (Foto: Foto: dpa)

Vor dem Landgericht Ulm müssen sich Rathko P. und zwei weitere Beschuldigte nun wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, im Januar in das Museum der Firma Märklin eingebrochen und große Teile des Bestandes gestohlen zu haben. Rathko P. ist weitgehend geständig.

Geschätzter Schaden: 1,2 Millionen Euro

Der Fall sorgte damals für große Aufregung in deutschen Hobbykellern. Die Diebe hatten fast die gesamte Geschichte von Märklin gestohlen. Die Storchenbein, die erste Märklin-Lok und viele Einzelstücke - insgesamt waren es exakt 185 Modelle. Wenn sich überhaupt ein finanzieller Schaden errechnen lässt, soll er nach Angaben Märklins bei knapp 1,2 Millionen Euro gelegen haben.

Wochenlang suchte die Polizei nach Spuren und hoffte nach einer Sendung von "Aktenzeichen XY" auf Hinweise. Es kamen aber keine. Die Ermittler gingen von hochprofessionellen Dieben aus.

Vor dem Landgericht Ulm sieht die Sache nun etwas anders aus. Ratko P. ist 26 Jahre alt. Im Jahr 2004 versuchte er, in Bosnien eine Postfiliale mit einer Spielzeugpistole zu überfallen, anschließend flüchtete er nach Frankfurt. Dort traf er auf A., einen entfernten Bekannten, den er aus der alten Heimat kannte. Der schlug ihm vor, gemeinsam ein Ding zu drehen.

An einem Samstag fuhren sie nach Göppingen, um das Museum zu inspizieren. Mit dabei war, Robert L., ein 49 Jahre alter Taxifahrer aus Frankfurt, der laut eigener Aussage auch Medizinstudent und Lehrer für Philosophie ist.

Mit Taschenmesser und Zahnpasta gegen die Alarmanalage

Einen Tag nach der Inspektion begannen die drei mit der so genannten Tatausführung. Man kann sie nicht als sonderlich durchdacht bezeichnen. An einem Sonntagabend versuchten sie, die Alarmanlage des Museums außer Kraft zu setzen. Zuerst mit einem Taschenmesser, dann drückten sie Zahnpasta in den Sensor. Weil die Anlage aber dennoch funktionierte und die drei nun nicht mehr weiter wussten, fuhren sie wieder nach Hause.

Die Polizei und die Firma Märklin wunderten sich zwar am darauf folgenden Tag über die hohe Zahl von Fehlalarmen der beschädigten Alarmanlage, ergriffen aber keine Vorsichtsmaßnahmen, und schalteten die Anlage einfach ab, sagte ein Kriminalbeamter vor Gericht.

Auch die neueren Märklin-Modelle sind begehrte Sammlerstücke. (Foto: Foto: AP)

Am selben Abend war das Trio wieder da, über das Dach stiegen sie in das Gebäude ein. Weil man aber die Säcke für den Abtransport der Eisenbahnen im Auto gelassen habe, sagt Ratko P., hätten sie noch einmal zurück zum Auto gemusst. Dabei sei unglücklicherweise die Tür zum Museum zugefallen, die sich nur von innen öffnen ließ. Weil man fast alles Werkzeug zu diesem Zeitpunkt schon im nahe gelegenen Fluss entsorgt hatte, dauerte es nun eine Weile, bis das Vorhaben abgeschlossen werden konnte.

Ein ziemliches Desaster

Die nächste unvorhergesehene Schwierigkeit entstand, als A. plötzlich doch keinen Abnehmer für die Eisenbahnen mehr hatte, so wie er es vor der Tat noch behauptet hatte. Ratko P. machte sich nun selbst auf die Suche nach einem Hehler und wurde in Wien fündig. Weil aber der Mittelsmann an einen Scheinkäufer der österreichischen Polizei geriet, flog die Sache dann Ende März auf. Ratko P. wurde in Wien verhaftet, die beiden anderen auf der Flucht in Italien. Es war alles ein ziemliches Desaster.

Weil der angeklagte A. noch in Italien in Haft ist, konnte das Gericht noch nicht klären, wie ein Taxifahrer aus Frankfurt und ein flüchtiger Spielzeugpistolenräuber aus Bosnien darauf kamen, ausgerechnet den Modelleisenbauer Märklin zu überfallen. Der Anwalt von Robert L., der bisher jede Beteiligung bestreitet, vermutet, dass es doch noch einen Auftraggeber im Hintergrund gibt. Vielleicht einen Sammler, der angesichts der großen Aufmerksamkeit, die der Raub erhielt, irgendwann doch kalte Füße bekam.

Die Polizei konnte zwar die vollständige Beute beschlagnahmen. Weil die Diebe die Loks aber einfach so in Säcke warfen, entstand nach Schätzungen von Märklin ein Schaden von 300 000 Euro an den seltenen Stücken. Nun will das Unternehmen überlegen, ob die Loks restauriert werden. Oder ob die Schäden nun einfach zur Firmengeschichte gehören.

© SZ vom 18.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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